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Nach dem Bankett.

Nach dem Bankett.

Titel: Nach dem Bankett. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yukio Mishima
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mageren Halses traten im Licht der Lampe deutlicher hervor. Das rollende Geräusch schwoll an, und dann entstand eine qualvolle Pause – das wiederholte sich unzählige Male.
      Kazu geriet geradezu in Verzückung bei dieser ergreifenden Szene. Sie blickte ihn unverwandt an und hatte das Gefühl, als habe sie teil an den anstrengenden aber so vergeblichen Bemühungen ihres alternden Mannes. Das körnige, rollende Geräusch des Gurgelns war ihr die Bestätigung dafür, daß ihr Mann tatsächlich bei ihr war, daß er vor ihren Augen lebte. Wenn dies zutraf, dann lebte auch sie selber, Kazu, und in diesem Leben gab es keine Langeweile oder Untätigkeit.
      Endlich hatte Noguchi zum drittenmal gegurgelt; er näherte seinen Mund dem Rand der Schüssel und spie das Wasser mit einem monotonen Laut aus Die kupferne Schüssel in Kazus Händen wurde schwerer. Noguchi seufzte. Sein Gesicht hatte sich gerötet.
      Dann tat er etwas, was er in den vergangenen fünf Tagen noch nie getan hatte Er streckte ihr die Hand mit dem Glas entgegen und fragte: »Wie ist es? Willst du nicht auch gurgeln?«
      Kazu glaubte, nicht recht zu hören. Da sie ja ofziell nicht am Wahlkamp teilnahm, konnte auch ihr Hals nicht wund sein, und infolgedessen bestand auch keine Notwendigkeit zum Gurgeln. Daß ihr Mann sie trotzdem dazu auforderte geschah nicht aus bloßer Besorgnis, sondern bedeutete im Grunde nichts anderes, als daß er ihre Arbeit beim Wahlkampf stillschweigend anerkannte. Be diesem Gedanken barst ihr fast das Herz vor Freude. Sie blickte ihm lange in

    die Augen, die sie ernst betrachteten, und nahm ehrfürchtig das Glas aus seiner Hand in Empfang.

    In der ersten Woche waren Presse, Rundfunk und Fernsehen einstimmig der Meinung, daß Noguchi an führender Stelle stünde. Aber in der zweiten Woche begannen die Vororte abzubröckeln. Ursprünglich hatte man sie für die Hochburg der Reformpartei gehalten, aber die Verteilung der verdächtigen Broschüre schien die Position der Reformpartei in den Vororten geschwächt zu haben. Außerdem hatte man von Anfang an die Wahlwerbung dort weniger intensiv betrieben, weil man dieser Bezirke sicher zu sein glaubte. Kazu, mit ihrer unbeugsamen Natur, meinte, daß es noch nicht zu spät sei. Sie fuhr mit dem Lautsprecherwagen in die Wohnviertel der Außenbezirke und ließ an den verschiedensten Stellen halten, um zu reden. Die Häuser der reichen Leute lagen wie ausgestorben da, weil die meisten von ihnen in der Sommerfrische waren. Hier, bei den Wohlhabenden, hatte die Reformpartei ohnehin keine Anhänger, deshalb fuhr sie zum Setagaya-Distrikt und in die Gegend der Tokio-Linie, wo die meisten Berufstätigen wohnten.
       Der Lastwagen hielt im Schatten eines kleinen Parks, in dem auch ein Planschbecken für Kinder war. Das Plätschern des Wassers und die Rufe der Kinder drangen dauernd zu ihnen herüber. Auf dem freien Platz zwischen dem Eingang des Parks und der Bahnüberführung fanden sich bald einige Menschen ein, die auf Kazus Ansprache warteten. Aber die Atmosphäre war irgendwie anders als in der Innenstadt oder in den Dörfern. Es waren keine treuherzigen Gesichter. Selbst ein junger Mann, wahrscheinlich ein Laufbursche, der auf dem Rad saß und sich mit einem Fuß auf dem Boden abstützte, hatte einen hämischen Zug im Gesicht. Aber nicht nur das: In der Menge wurde gefüstert, man blickte zu Kazu hinüber und tuschelte dann miteinander.
      Als Kazu sprechen sollte, wandte sie sich beunruhigt an den neben ihr stehenden Parteimann: »Was soll ich nur machen, die Leute reden über mich.«
       Der Mann wußte, daß Kazu sich von der Broschüre wie von einem Spuk verfolgt fühlte, und sagte daher unbekümmert: »Das bilden Sie sich nur ein. Reden Sie nur frisch von der Leber weg. Es ist ein Riesenerfolg, daß sich so viele Menschen hier versammelt haben.«
       Kazu trat vor und machte, wie üblich, eine Verbeugung vor dem Mikrophon: »Ich bin die Frau von Noguchi Yuken, des Kandidaten der Reformpartei.« Im gleichen Augenblick drang unterdrücktes Gelächter an ihr Ohr. Ihr Gesicht wurde hart, und sie sprach wie im Traum weiter. Die festgesetzte Minute war längst überschritten, aber heute erhob keiner von den Parteileuten einen Einwand. Je länger sie sprach, desto hohler klangen ihre Worte, sie schienen wie Sand über die Köpfe der Menge hinwegzuwehen.
       Dieser Eindruck war ein Produkt ihrer Ängste. Sie redete zwar volle Leidenschaft, aber in Gedanken malte sie

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