Nach dem Bankett.
anfragen und dir Bescheid geben, was er gesagt hat. Es wird dir wahrscheinlich nicht angenehm sein, wenn ich bei di zu Hause anrufe?«
»Nein. Bitte rufen Sie mich im Setsugoan an.«
»Dann halte dich bereit, damit du eventuell gleich in die Stadt kommen kannst wenn ich anrufe.«
»Ja.« Und so mußte sie sich entschließen, im Setsugoan zu übernachten. Am folgenden Tag, als es bereits anfng dunkel zu werden, kehrte Kazu nach Koganei zurück. Sie hatte sich mit allen Leuten getrofen, die sie trefen mußte, und hatte alles getan, was getan werden mußte. Sie war darauf gefaßt, daß Noguchi ihr Vorwürfe machen würde, aber im Augenblick war ihr Herz ganz ruhig. Der Plan, das Setsugoan wieder zu eröfnen, hatte endlich Hand und Fuß bekommen – das Wunder war vollbracht.
Weiß schimmerte das Pampasgras an der Böschung im Zwielicht, und hoch oben am noch hellen Himmel fog ein Schwarm Zugvögel dahin. Sie dachte daran, daß sie am Morgen vor Aufregung zu früh wach geworden war. Nach langer Zeit wieder einmal hatte sie den verwilderten Garten betreten und war spazierengegangen, hatte das aufgeregte Gefatter unzähliger kleiner Vögel gehört, die sich auf dem dicht mit Gras und Unkraut überwucherten Hang niedergelassen hatten und erschreckt aufgefogen waren, als Kazu nähertrat. Es war, als zerbräche die glasklare Luft des Morgens mit einem Schlage in tausend Splitter.
Kazu befahl dem Chaufeur, neben der Brücke – ein ganzes Stück vom Haus entfernt – zu halten. Sie hatte Bedenken, mit dem Wagen direkt vor das Haus zu fahren. Der Chaufeur öfnete den Schlag, und Kazu streckte gerade den Fuß im weißen Tabi heraus, der sich hell und scharf gegen den dunklen Weg abhob, als sie einen Mann gewahrte, der aus dem Tor von Noguchis Haus trat. Er hielt eine Aktentasche in der Hand und kam mit wankenden Schritten näher. Der Mann wandte dem Sonnenuntergang am westlichen Himmel den Rücken, so daß Kazu sein Gesicht nicht erkennen konnte. Er wirkte furchtbar alt. Sein Körperbau schien zwar kräftig, aber er schritt kraftlos mit hängendem Kopf dahin. Das friedliche Licht am westlichen Himmel schien der Sterbestunde des Idealismus zu leuchten. Die Sonne, die hinter den Feldern versank, zündete Hunderte und Tausende von Kerzen an, und der Mann sah aus wie ein Bild, das auf dem Seidenbezug einer Dachlaterne klebte, oder wie eine Silhouette aus dünnem schwarzem Papier, die ihren tanzenden Schatten auf die Seide warf. Es konnte nur Yamazaki sein.
Kazu nahm schnell wieder im Wagen Platz, schloß die Tür und sah aus dem heruntergedrehten Fenster. Kalt schlug ihr die Abendluft entgegen. Als Yamazaki so nahe herangekommen war, daß sie ihre Stimme nicht zu heben brauchte, rief sie ihn leise an. Obgleich sie nur gedämpft gerufen hatte, schrak er zusammen und hob das Gesicht.
»Oh, Sie sind es, gnädige Frau?«
»Kommen Sie in den Wagen. Ich möchte mit Ihnen sprechen.«
Unbeholfen wie ein Bär kletterte Yamazaki in den Wagen und setzte sich
neben Kazu.
»Herr Yamazaki, fahren Sie jetzt nach Tokio zurück?«
»Ja.«
»Dann benutzen Sie doch gleich diesen Wagen. Ich steige hier aus, und de Wagen muß ohnehin in die Stadt zurück.«
»Vielen Dank! Gern.«
Eine Weile herrschte Schweigen im Wagen. »Was hatten Sie mit meinem Mann zu besprechen?« fragte sie dann und blickte starr vor sich hin.
»Ihr Gatte hat sich heute auf den Tatami-Boden niedergekniet und sich vo mir verbeugt und mich um Verzeihung gebeten. Das habe ich noch nie bei ihm erlebt. Ich muß gestehen, daß ich zu Tränen gerührt war.«
Eine böse Vorahnung ließ Kazus Herz schneller klopfen. »Weshalb hat sich Noguchi bei Ihnen entschuldigt?«
»Er sagte: ›Ich habe dir so viel Mühe und Sorgen verursacht, als ich dich bat meine persönlichen Dinge nach der Wahl zu ordnen. Aber jetzt ist mir Kazu untreu geworden. Ich bitte dich auf meinen Knien um Verzeihung. Bitte, brich alle Verhandlungen ab.‹«
»Was für Verhandlungen denn?«
»Gnädige Frau, das wissen Sie doch ganz genau: die Verhandlungen um das Setsugoan.«
»Was meint er mit Untreue?«
»Herr Noguchi weiß von dem Spendenbuch.«
»So?« Kazu blickte durch die Windschutzscheibe in die Finsternis. Vo Noguchis Haus brannte trübe eine Laterne. Am Himmel war nur noch ein blaßgelber Strich zu sehen, und die Kirschbäume auf der Böschung hatten sich in dunkle Schatten
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