Nach dem Bankett.
verwandelt.
»Herr Yamazaki, ich habe Ihnen wirklich nichts als Unannehmlichkeiten bereitet«, sagte Kazu nach einer Pause.
»Was für seltsame Dinge Sie da sagen. So habe ich es gar nicht empfunden. Ich hofe, Sie gewähren mir auch in Zukunft die Freude Ihrer Bekanntschaft.«
»Es macht mich glücklich, daß Sie das sagen. Aber wenn ich es recht bedenke sind alle Schwierigkeiten nur durch meinen Eigensinn entstanden.«
»Das habe ich von Anfang an gewußt«, bemerkte Yamazaki sachlich.
Kazu kam der Gedanke, daß sie wenigstens Yamazaki etwas von dem Spendenbuch hätte sagen müssen, um sich für seine lange Freundschaf erkenntlich zu zeigen. Aber dies war ein Geheimnis gewesen, das so ofensichtlich in eine andere Welt gehörte als die, in der Yamazaki lebte. Und im nächsten Augenblick dachte sie, es sei vielleicht doch richtig gewesen, ihn nicht zu informieren.
»Ich muß jetzt gehen«, sagte Kazu. Sie stützte sich auf den Sitz, um aufzustehen, und berührte dabei Yamazakis Hand, die kalt und reglos neben der ihren in der Dunkelheit lag.
Kazu bekam ein schlechtes Gewissen. Yamazaki, der so einsam zurückblieb, tat ihr leid. Und da sie wußte, daß eine Geste ihres Körpers weit mehr als Worte auszudrücken vermochte, umschloß sie mit beiden Händen seine kalte Hand und drückte sie.
So etwas war während ihrer langen Bekanntschaft noch nie vorgekommen. Yamazakis erschrockene Augen glitzerten im Widerschein der fernen Straßenlaterne, als er sich ihr zuwandte. Er war zwar nicht der Mann, der solch eine unwillkürliche Geste mißverstand, aber er hätte nie geglaubt, daß ihre einjährige Freundschaft dazu führen würde. Wenn es keine Freundschaft gewesen war – Liebe war es gewiß nicht. Es war das unverbindliche Verhältnis zweier Menschen. Und da Yamazaki seine Objektivität ihr gegenüber bisher dadurch bewahrt hatte, daß er ihr alles nachsah, konnte man nicht Kazu allein den Vorwurf machen, unverbindlich gehandelt zu haben. Aber wie ein Maler, der sein Bild durch einen letzten Pinselstrich verdirbt, hatte Kazu mit ihrer unpassenden Geste schließlich alles zunichte gemacht. Yamazaki verzieh ihr auch dieses Benehmen, das als Zeichen der Liebe oberfächlich und als Zeichen der Freundschaft entwürdigend war. Um so deutlicher empfand er die wunderbare Kraft, die Kazus Händen innewohnte. Sie waren blutvoll und weich, strahlten eine rätselhafte Wärme und zugleich eine starke, zerstörende Kraft aus, die keinen Widerstand duldete. Diese Kraft erfüllte ihren ganzen Körper, verlieh ihm sein Gewicht, seine Glut und seine Abgründigkeit.
Schließlich ließ Kazu seine Hand los. »Also dann auf Wiedersehen. Nach allem, was Sie unseretwegen durchgemacht haben, verstehe ich Ihre Enttäuschung nur zu gut. Noguchi und ich werden uns genauso weiterquälen wie bisher. Was immer wir auch machen werden . . .«
»Wenn Sie an einem Telegrafenmast vorbeigehen, werden Sie immer an die Plakate denken, die einmal daran klebten.«
»Ja, bestimmt. Unglücklicherweise gibt es sogar hier auf dem Lande Telegrafenmaste.«
Diesmal war es Yamazaki, der still und freimütig Kazus Handrücken tätschelte. »Das läßt sich nicht ändern. Mit der Zeit wird es sich schon geben. Nach einem Bankett fühlen alle eine Zeitlang das Gleiche.«
Kazu dachte an den kalten Glanz des goldenen Wandschirms im großen Saal, wenn ein Bankett vorüber war.
Als die roten Rücklichter des Wagens sich in der Ferne verloren, wandte Kazu sich auf dem nun fnsteren Weg dem Hause zu. Sie konnte nicht gleich hineingehen und schritt eine Weile zögernd vor dem Tor auf und ab.
Endlich rafte sie sich auf und trat ein. Sie fragte das Mädchen mit absichtlich lauter Stimme: »Hat der gnädige Herr schon zu Abend gegessen?«
»Nein, ich bin gerade dabei, das Essen vorzubereiten. Wünschen gnädige Frau mitzuspeisen?«
»Ich weiß nicht recht; ich habe eigentlich keinen Appetit . . .« Kazu stockte. Sie konnte sich nicht vorstellen, daß sie und ihr Mann heute zusammen zu Abend essen würden. »Ich sage dir noch Bescheid.«
Noguchi saß in einem abgelegenen Sechsmattenzimmer, das nur durch einen Gang mit dem Haus verbunden war. Kazu rief durch die geschlossene Shoji-Tür »Ich bin eben zurückgekommen.«
Als keine Antwort kam, betrat sie den Raum und setzte sich nieder. Noguchi las ein Buch; er machte nicht einmal den Versuch, sich ihr zuzuwenden. Sie sah nu seinen
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