Nach dem Ende
sind, können wir wenigstens das Haus suchen. Lieber ganz sichergehen in so einem Fall.
Also fährt sie herum, und nach einer Weile entdeckt sie auf einem grünen Straßenschild eine Buchstabenfolge, die mit der auf dem Zettel aus Maurys Tasche übereinstimmt. Dann setzt sie ihren Weg auf der Straße fort, bis sie zu dem Haus mit der Nummer 442 gelangt und bremst.
Erst jetzt fällt ihr etwas auf, was das Haus von den anderen in der Gegend unterscheidet: Durch die Fenster dringt ein sonderbar flackernder Schein.
Bist du bereit für ein Wunder, Maury? Sieht nämlich ganz so aus, wie wenn uns eins bevorsteht.
Doch offen gestanden fühlt es sich nicht ganz wie ein Wunder an. Sie sitzen im Auto, und zwanzig Minuten lang beobachtet sie das Haus – dieses merkwürdige Flackern, das von einem Feuer zu stammen scheint. Sie wartet, ob es sich verbreitet, ob das Haus in Brand geraten ist, vielleicht nach einem Blitzschlag bei dem Gewitter vergangene Nacht. Aber es flackert gleichmäßig weiter. Sie startet den Motor und fährt um den Block, und dann fährt sie auch noch um den anderen Block, um das Haus von hinten zu umrunden. Dann stoppt sie wieder am Bordstein und wartet noch einmal zehn Minuten, ohne das zuckende Licht aus den Augen zu lassen. Keine Gestalt auf den Straßen, weder tot noch lebendig, keine Regung in den anderen Häusern und nichts sonst an diesem Haus, das aus dem üblichen Rahmen fällt.
Komm, Maury, sagt sie schließlich. Schauen wir mal nach, ob die Duchamps daheim sind. Aber bleib schön hinter mir – irgendwie hab ich ein komisches Gefühl.
Sie zieht das Gurkhamesser aus der Scheide und schlägt langsam den Weg zum Haus ein. Statt direkt zur Eingangstür zu treten, huscht sie über den Rasen und späht vorsichtig durchs Fenster. Der Schein kommt tatsächlich von einem stetig brennenden Feuer im Wohnzimmerkamin. Ansonsten kein Lebenszeichen.
Weil ihr nichts anderes einfällt, klopft sie an die Tür und steht dann stocksteif da. Hinter dem Rücken umklammert sie mit bebendem Griff das schlagbereite Gurkhamesser.
Nach einer Weile klopft sie erneut, lauter diesmal.
Da macht keiner auf, Maury. Ihre Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern.
Sie dreht am Knauf. Die Tür ist unverschlossen und schwingt mit lautem Knarren nach innen. In der daunigen Stille nach dem Regen hat sie das Gefühl, als würde das Geräusch der Tür die ganze Straße hinauf- und hinunterhallen.
Auf jeden Fall muss man kein Guerillakämpfer sein, um da reinzukommen.
Sie tritt in den Flur und versucht, in alle Richtungen gleichzeitig zu spähen. Nichts bewegt sich. Das Feuer knistert und knackt.
Der einzige andere Laut ist Maurys leises Wimmern von hinten, das sich plötzlich nach links bewegt, als er an ihr vorbei ins Haus marschiert und um die Ecke verschwindet.
Warte, Maury, warte …
Sie folgt ihm ins Esszimmer und beobachtet, wie er einen Geschirrschrank öffnet und einen Gegenstand herausnimmt, der so groß wie ein Baseball, aber durchsichtig ist. Dann trottet er in eine Ecke, hockt sich mit angezogenen Knien auf den Boden und streicht mit den Händen über das Ding.
Was hast du da gefunden, Maury? Sie steht vor ihm und streckt die Hand aus.
Er blickt zu ihr auf, als müsste er überlegen, ob er ihr wirklich vertrauen kann, dann reicht er ihr den Gegenstand.
Es ist ein Briefbeschwerer. Eine Glaskugel mit flachem Boden zum Abstellen, damit sie nicht wegrollt. In dem Briefbeschwerer funkeln zu einem strahlenförmigen Blumenmuster gedrehte tintenschwarze Streifen.
Sie gibt ihm die Kugel zurück. Du hast genau gewusst, wo du das findest. Du warst also schon mal hier. Und du kannst dich erinnern, oder? Wie lang is das her? Bestimmt warst du noch ein Knirps damals.
Er umklammert das Ding wie ein kleiner Junge, der darauf versessen ist, etwas zu berühren und es zu verstecken, bis er ganz allein damit ist und es endlich anschauen und in seiner ganzen Schönheit erfassen kann.
Sie spürt etwas Großes in sich, etwas, das sich ausdehnt, als würde sich in ihrer Brust ein Ballon aufblasen.
Freut mich, dass du das gefunden hast, Maury. Freut mich wirklich sehr.
Das Speisezimmer wirkt, als wäre es seit Jahren nicht mehr betreten worden – als hätten sich die Bewohner kurz vor dem Abendessen in Luft aufgelöst. Vier Plätze am Tisch sind gedeckt mit Tellern, Gabeln, Löffeln, Messern und Servietten, alles mit einer dicken Staubschicht überzogen. Sie fährt mit der Fingerspitze über einen Teller, und ein glänzend
Weitere Kostenlose Bücher