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Nach Dem Sommer

Nach Dem Sommer

Titel: Nach Dem Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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Winter - dunkelblondes Haar, ernste braune Augen. Wie ein Sommerkind, das in der Kälte verblasst war. Ich hatte immer gedacht, Olivia und ich wären uns ähnlich, beide eher introvertiert und immer ein Buch vor der Nase. Jetzt wurde mir klar, dass meine Zurückhaltung von mir ausging. Olivia aber war einfach nur schrecklich schüchtern und konnte nicht anders. Je mehr Zeit wir miteinander verbrachten - so kam es mir in diesem Jahr vor -, desto schwerer wurde es, Freunde zu bleiben.
    »Auf dem da seh ich so was von blöd aus«, lachte Olivia. »Rachel sieht aus wie eine Irre. Und du, als wärst du sauer.«
    Ich wirkte wie jemand, der kein Nein als Antwort akzeptierte -richtig eigensinnig. Das gefiel mir. »Du siehst überhaupt nicht blöd aus. Eher wie eine Prinzessin, und ich bin der Oger.«
    »Ein Oger? Quatsch!«
    »Stimmt, der ist noch zu hübsch«, gab ich zurück.
    »Und Rachel?«
    »Nein, du hast recht. Sie sieht echt aus wie eine Irre. Oder zumindest, als würde sie total unter Koffein stehen, wie immer.« Ich betrachtete das Foto noch einmal genauer. Tatsächlich sah Rachel aus wie die Sonne - hell und leuchtend, voller Energie -, und wir beide waren zwei Monde, die sie mit purer Willenskraft in ihrer Umlaufbahn hielt.
    »Hast du dieses hier schon gesehen?« Olivia riss mich aus meinen Gedanken und hielt mir ein anderes Foto hin. Es zeigte meinen
    Wolf, tief im Wald, halb hinter einem Baum versteckt. Aber Olivia war es gelungen, einen Teil seines Gesichts so gestochen scharf zu erwischen, dass ich das Gefühl hatte, er starrte mich direkt an. »Das kannst du behalten. Oder - behalt einfach den ganzen Stapel. Die besten kleben wir dann nächstes Mal ins Album.«
    »Danke«, erwiderte ich und konnte kaum ausdrücken, wie ernst ich das meinte. Ich zeigte auf das Foto. »Hast du das letzte Woche gemacht?«
    Sie nickte. Ich betrachtete das Bild - es raubte mir den Atem, und doch wirkte es flach und unzulänglich verglichen mit dem Original. Vorsichtig strich ich mit dem Daumen über das Foto, als könnte ich sein Fell fühlen. In meiner Brust bildete sich ein Knoten, schmerzhaft und traurig. Ich spürte Olivias Blick und fühlte mich nur noch schlechter, einsamer. Es hatte eine Zeit gegeben, da hätte ich mit ihr darüber geredet, aber jetzt erschien mir das irgendwie zu persönlich. Es war einfach nicht mehr wie früher - und ich war überzeugt, dass das an mir lag.
    Olivia gab mir einen kleineren Stapel mit Fotos, die sie aussortiert hatte. »Das sind meine Angeberbilder.«
    Gedankenversunken blätterte ich durch die Aufnahmen. Sie waren beeindruckend: ein Blatt, das auf einer Pfütze schwamm, Schüler, die sich in den Fensterscheiben eines Schulbusses spiegelten, ein kunstvoll verwackeltes Schwarz-Weiß-Porträt von Olivia. Ich sagte brav meine Ooohs und Aaahs und legte zum Schluss wieder das Foto von meinem Wolf oben auf den Stapel, um es noch einmal zu betrachten.
    Olivia gab ein leicht genervtes Schnauben von sich.
    Schnell blätterte ich zurück, bis wieder die Pfütze mit dem Blatt oben lag. Angestrengt starrte ich es eine Weile an und versuchte mir vorzustellen, was Mom zu so einem Kunstwerk sagen würde. »Das hier gefällt mir«, brachte ich hervor. »Die ... die Farben sind ganz toll.«
    Olivia riss mir den Stapel aus der Hand und schnippte das Wolfsfoto so heftig zu mir herüber, dass es mir erst in den Schoß und dann zu Boden fiel. »Ja, klar. Weißt du, Grace, manchmal frag ich mich echt, warum ich überhaupt...«
    Sie führte den Satz nicht zu Ende und schüttelte nur den Kopf. Ich verstand gar nichts mehr. Wollte sie, dass ich so tat, als gefielen mir die anderen Fotos besser als das von meinem Wolf?
    »Hallo! Jemand zu Hause?« John, Olivias älterer Bruder, bewahrte mich vor allem Weiteren - obwohl ich immer noch nicht genau wusste, womit ich Olivia verärgert hatte. Er grinste mich schon vom Flur aus an, als er die Haustür hinter sich zuzog. »Hallo, meine Schöne.«
    Olivia warf ihm von ihrem Platz am Küchentisch aus einen frostigen Blick zu. »Ich hoffe mal, du meinst mich damit.«
    »Selbstverständlich«, erwiderte John und sah dabei mich an. Er sah gut aus, wenn auch auf ziemlich gewöhnliche Art und Weise: groß, dunkelhaarig wie seine Schwester. Aber er hatte ein offenes Gesicht mit sympathischen Grübchen. »Das wäre ja wohl ziemlich daneben, mich an die beste Freundin meiner Schwester ranzumachen. So. Vier Uhr. Wie die Zeit doch verfliegt, wenn man -«, er sah Olivia an, die sich

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