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Nach Dem Sommer

Nach Dem Sommer

Titel: Nach Dem Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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Tageslicht konnte ich nun sehen, wie eng anliegend und unerträglich sexy ihr kurzes Trägertop war. Schnell guckte ich weg.
    »Das muss dir nicht peinlich sein, weißt du? Ist ja nicht so, als wäre ich nackt.« Sie blieb vor ihrem Kleiderschrank stehen und sah mich argwöhnisch an. »Du hast mich doch wohl nicht schon mal nackt gesehen, oder?«
    »Nein!« Meine Antwort kam deutlich zu schnell.
    Sie grinste über meine Lüge und zog eine Jeans aus dem Schrank. »Dann solltest du dich umdrehen, es sei denn, du willst das jetzt nachholen.«
    Ich legte mich aufs Bett und vergrub mein Gesicht in den kühlen Kissen, die nach ihr rochen. Ich hörte es rascheln, als sie ihre Kleidung überstreifte. Mein Pulsschlag beschleunigte sich auf etwa eine Million Schläge pro Sekunde. Ich seufzte, ich konnte die Lüge einfach nicht so stehen lassen. »Es war keine Absicht.«
    Die Matratze quietschte, als sie sich darauffallen ließ, ihr Gesicht ganz nah vor meinem. »Bist du immer so ehrlich?«
    Meine Stimme wurde von ihrem Kissen gedämpft. »Ich will ja nur, dass du mich für einen anständigen Menschen hältst. Und dass ich dich nackt gesehen habe, während ich einer anderen Spezies angehörte, ist da wohl nicht besonders hilfreich.«
    Sie lachte. »Du bekommst mildernde Umstände, ich hätte schließlich das Rollo zuziehen können.« Dann folgte ein langes Schweigen, gefüllt mit tausend unausgesprochenen Worten. Ich roch die Nervosität, die ihre Haut verströmte, und ich hörte ihren schnellen Herzschlag, der durch die Matratze an mein Ohr drang. Es wäre so einfach gewesen, die kurze Entfernung zwischen unseren Lippen zu überwinden. In ihrem Herzschlag glaubte ich zu hören, worauf sie hoffte: küss mich küss mich küss mich. Normalerweise war ich gut darin, die Gefühle anderer zu spüren. Bei Grace aber konnte ich kaum unterscheiden zwischen dem, was ich wirklich spürte, und dem, was ich mir nur wünschte.
    Sie kicherte leise; es war ein so niedliches Geräusch, das irgendwie überhaupt nicht mit dem zusammenpasste, was ich sonst von ihr wusste. »Ich bin am Verhungern«, sagte sie schließlich. »Lass uns Frühstück machen. Oder wahrscheinlich eher Brunch.«
    Ich kugelte mich aus dem Bett und sie kugelte hinterher. Überdeutlich spürte ich ihre Hände auf meinem Rücken, als sie mich zur Zimmertür hinausschob. So stapften wir langsam zusammen in die Küche. Das Sonnenlicht, zu grell, fiel durch die Verandatür und wurde von den weißen Fliesen und der Arbeitsplatte reflektiert, sodass wir beide in gleißendes Licht getaucht waren. Nach meinem Erkundungsgang vorhin kannte ich mich ein bisschen aus, und so fing ich an, ein paar Zutaten zusammenzusuchen.
    Grace war immer hinter mir, während ich mich durch die Küche bewegte - mal streiften ihre Finger meinen Ellbogen, mal strich sie mir über den Rücken, sie nutzte jede Gelegenheit, mich zu berühren. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie sie mich unverhohlen anstarrte, wenn sie glaubte, dass ich es nicht merkte. Es war, als hätte ich mich nie verwandelt, als beobachtete ich sie noch immer vom Wald aus und als säße sie auf ihrer Schaukel, von der aus sie fasziniert zu mir herübersah. Peeling off my skin / leaving just my eyes behind / You see inside my head / Still know that you are mine.
    »Woran denkst du?«, fragte ich sie, während ich ein Ei in die Bratpfanne schlug und ihr ein Glas Orangensaft eingoss, mit meinen Menschenfingern, die mir plötzlich unendlich kostbar erschienen.
    Grace lachte. »Daran, dass du mir gerade Frühstück machst.«
    Die Antwort war so profan, dass ich sie zunächst kaum glauben konnte. Nicht wenn mir zur selben Zeit Tausende Gedanken gleichzeitig durch den Kopf gingen, die einander den Platz streitig machten. »Woran noch?«
    »Daran, dass das total lieb von dir ist. Und ich hab überlegt, ob du wohl weißt, wie man Rühreier macht.« Doch ihre Augen wanderten von der Pfanne zu meinem Mund, nur einen winzigen Moment lang, und ich wusste, dass sie nicht nur an Rühreier dachte. Sie wirbelte durch den Raum und zog die Rollos herunter, was sofort eine andere Atmosphäre in der Küche schaffte. »Und dass es zu hell hier drin ist.« Das Licht fiel durch die Schlitze in den Rollos und warf waagerechte Streifen über ihre großen braunen Augen und die gerade Linie ihrer Lippen.
    Ich wandte mich wieder den Eiern zu und schob sie auf einen Teller, gerade als auch der Toast aus dem Toaster sprang. Ich streckte zur selben Zeit wie Grace die Hand

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