Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nach Dem Sommer

Nach Dem Sommer

Titel: Nach Dem Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
Vom Netzwerk:
danach aus, und es war wie eine dieser perfekten Filmszenen, in denen sich die Hände der Hauptdarsteller berühren und man genau weiß, dass die beiden sich gleich küssen. Nur dass es diesmal meine eigenen Arme waren, mit denen ich sie versehentlich gegen die Arbeitsplatte drückte, als ich um sie herum nach dem Toast greifen wollte. Ich stützte mich an der Kante des Kühlschranks ab und merkte vor lauter Verlegenheit über meine Trotteligkeit gar nicht, was für ein vollendeter Augenblick das war, bis mir auffiel, dass Grace die Augen geschlossen und mir ganz leicht ihr Kinn entgegengehoben hatte.
    Ich küsste sie. Streifte nur ihre Lippen mit meinen, ganz sacht, kein bisschen animalisch. Aber im selben Moment nahm ich den Kuss in Gedanken auch schon auseinander: ihre möglichen Reaktionen darauf, wie sie ihn interpretieren könnte, der Schauer, der mir dabei über die Haut fuhr, die Sekunden, nachdem ich ihre Lippen berührt hatte und sie die Augen öffnete.
    Grace grinste mich an. Ihre Worte klangen spöttisch, aber ihre Stimme war sanft..»Ist das alles, was du zu bieten hast?«
    Ich berührte ihre Lippen noch einmal mit meinen und diesmal wurde es ein ganz anderer Kuss. Sechs Jahre lagen in diesem Kuss, ihre Lippen erwachten unter meinen zum Leben, schmeckten nach Orange und nach Verlangen. Ihre Finger strichen über meine Schläfen und fuhren mir durchs Haar, bevor sie sich in meinem Nacken verschränkten, kühl und lebendig auf meiner warmen Haut. Ich war wild und zahm zugleich, in Fetzen und so sehr eins mit mir wie nie zuvor. Zum ersten Mal in meinem Dasein als Mensch schweiften meine Gedanken nicht ab, um eine Liedzeile zu dichten oder um den Moment für den späteren Gebrauch abzuspeichern.
    Zum ersten Mal in meinem Leben
    war ich hier
    und nirgendwo sonst.
    Ich öffnete die Augen und es gab nur Grace und mich - nichts als Grace und mich. Sie presste die Lippen aufeinander, als könnte sie den Kuss in sich aufbewahren, und ich nahm den Augenblick in mir auf, als wäre er so zerbrechlich wie ein Vogel in meinen Händen.

  Kapitel 17 - Sam (16°C)
    M anche Tage fügen sich perfekt ineinander, wie Kirchenfenster - hundert kleine Teilchen in verschiedenen Farben und Stimmungen, die erst in der Kombination ein fertiges Bild ergeben. Genau so waren die letzten vierundzwanzig Stunden gewesen. Die Nacht im Krankenhaus war ein kränklich grünes, spiegelndes Stück Glas. Die dunklen Stunden am frühen Morgen, als wir in Grace' Bett lagen, waren ein weiteres, matt und purpurn. Dann noch die frostig blaue Erinnerung von heute Morgen an mein anderes Leben und schließlich unser Kuss, klar und durchscheinend.
    Im jetzigen Teil des Bildes saßen wir auf der verschlissenen Sitzbank eines alten Ford Bronco auf einem heruntergekommenen, halb zugewucherten Parkplatz am Stadtrand. Langsam schien sich alles zu einem großen Ganzen zu vereinen, einem schimmernden Abbild von etwas, was ich nie geglaubt hatte, einmal haben zu können.
    Grace ließ die Finger nachdenklich, beinahe liebevoll über das Lenkrad des Broncos gleiten und wandte sich dann zu mir. »Pass auf, ich stelle dir jetzt ein paar Fragen. Du musst aber die Wahrheit sagen, okay?«
    Ich lehnte mich im Beifahrersitz zurück, schloss die Augen und ließ mich von der Nachmittagssonne wärmen, die durch die Windschutzscheibe schien. Ein schönes Gefühl. »Willst du dir nicht auch noch ein paar andere Autos angucken? Weißt du, wenn man ein Auto sucht, dann sollte man dabei auch ein bisschen ... suchen.«
    »Shoppen ist nicht so mein Fall, das gilt auch für Autos«, lehnte Grace ab. »Ich sehe einfach, was ich brauche, und dann hol ich's mir.«
    Darüber musste ich lachen. Mir wurde gerade klar, wie absolut gracehaft diese Aussage war.
    Sie funkelte mich gespielt verärgert an und verschränkte die Arme. »Also, ich fang jetzt an. Und kneifen gilt nicht.«
    Ich sah aus dem Fenster über den Parkplatz, um sicherzugehen, dass der Inhaber noch nicht mit Grace' altem Auto wiederkam -hier in Mercy Falls waren Abschleppdienst und Gebrauchtwagenhandel nämlich ein und dasselbe. »Na gut. Hoffentlich wird das nicht zu peinlich.«
    Grace rutschte auf der Sitzbank etwas näher an mich heran und machte es sich bequem, ihre Haltung schien meine zu spiegeln. Es kam mir vor, als wäre das schon die erste Frage: ihr Bein an meinem, ihre Schulter an meiner, ihr straff geschnürter Sneaker auf meinem abgetragenen Lederschuh. Mein Puls raste wie als stumme Antwort.
    Grace klang

Weitere Kostenlose Bücher