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Nach Dem Sommer

Nach Dem Sommer

Titel: Nach Dem Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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ich.
    »Aber auch nicht gerade: Super, nichts wie weg! Das hättest du nämlich sagen sollen.« Rachel seufzte. »Morgen kommst du aber, oder?«
    »Das weißt du doch ganz genau«, erwiderte ich und reckte den Hals, um aus dem Fenster in den Garten zu spähen. »Ich muss jetzt Schluss machen.«
    »Jaja, schon okay«, seufzte Rachel. »Bring Kekse mit, ja? Nicht vergessen! Tschau, hab dich lieb.« Sie lachte und legte auf.
    Ich beeilte mich, die restlichen Zutaten in den Topf zu geben, damit der Eintopf allein vor sich hin köcheln konnte. Dann schnappte ich mir meinen Mantel von der Garderobe und öffnete die Schiebetür zur Veranda.
    Die kühle Luft brannte mir auf den Wangen und ließ meine Ohren prickeln, wie um mich daran zu erinnern, dass der Sommer nun endgültig vorbei war. Für alle Fälle hatte ich meine Bommelmütze in der Manteltasche, doch ich wusste, dass mein Wolf mich damit manchmal nicht wiedererkannte, also setzte ich sie nicht auf. Ich sah zum anderen Ende des Gartens hinüber und schlenderte wie zufällig die Verandastufen hinunter. Das Stück Rindfleisch in meiner Hand fühlte sich kalt und glitschig an.
    Ich stapfte durch das bleiche, brüchige Gras. Mitten im Garten blieb ich einen Moment stehen und blinzelte in das leuchtende Pink des Sonnenuntergangs, das durch die schwarzen, im Wind zitternden Blätter drang. Welten lagen zwischen dieser kargen Landschaft und der kleinen, gemütlich warmen Küche mit ihren vertrauten Gerüchen nach Sicherheit und Sorglosigkeit. Sollte ich mich dort nicht eigentlich am wohlsten fühlen? Schließlich gehörte ich doch dorthin. Aber die Bäume riefen nach mir, drängten mich, in der Dämmerung zu verschwinden und das Bekannte hinter mir zu lassen. Dieses Verlangen hatte sich in den letzten Tagen beunruhigend oft in mir geregt.
    In der Dunkelheit am Waldrand bewegte sich etwas und ich sah meinen Wolf an einem Baum stehen. Die Schnauze erhoben, schien er das Fleisch in meiner Hand zu riechen. Meine Erleichterung, ihn zu sehen, verebbte schlagartig, als er den Kopf bewegte und das gelbe Licht, das aus der Verandatür drang, auf sein Gesicht fiel. Jetzt konnte ich sehen, dass sein Kinn mit altem, getrocknetem Blut verkrustet war - tagealtem Blut.
    Seine Nase zuckte, er witterte das Stück Fleisch in meiner Hand. Angelockt entweder durch das Fleisch oder durch meine mittlerweile vertraute Gegenwart, wagte er sich ein paar Schritte aus dem Wald heraus. Dann noch ein paar Schritte. Näher als je zuvor.
    Im schwindenden Licht standen wir uns gegenüber, so nah, dass ich sein glänzendes Fell hätte berühren können. Oder den tiefroten Fleck an seiner Schnauze.
    Ich hoffte so sehr, dass es sein eigenes Blut war. Eine alte Wunde oder ein Kratzer aus einer Rangelei.
    Aber danach sah es nicht aus.
    »Habt ihr ihn getötet?«, flüsterte ich.
    Er lief nicht weg beim Klang meiner Stimme, wie ich zuerst befürchtet hatte. Reglos wie eine Statue stand er da und sein Bernsteinblick lag auf meinem Gesicht statt auf dem Fleisch in meiner Hand.
    »In den Nachrichten reden sie von nichts anderem«, sagte ich, als könnte er mich verstehen. »Sie glauben, dass es ein wildes Tier war. Sah wohl ziemlich grausam aus.« Ich holte tief Luft. »Seid ihr es gewesen?«
    Er starrte mich noch eine Weile an, völlig bewegungslos, ohne auch nur einmal zu blinzeln. Und dann, zum ersten Mal in sechs Jahren, schloss er die Augen, gegen jeden Instinkt, den ein Wolf eigentlich haben sollte. Ein Leben lang dieser regungslose Blick, und jetzt schien es, als erstarrte er in beinahe menschlichem Kummer, die leuchtenden Augen geschlossen, Kopf und Schwanz gesenkt.
    Etwas so Trauriges hatte ich noch nie gesehen.
    Langsam, fast ohne mich zu bewegen, näherte ich mich ihm. Ich hatte Angst, aber nur davor, ihn zu verscheuchen, nicht vor seinen rot verkrusteten Lefzen oder den Zähnen, die sich dahinter verbargen. Seine Ohren zuckten wachsam, als ich näher kam, aber er rührte sich nicht. Ich ging in die Hocke und ließ das Stück Fleisch neben mich auf den Boden fallen. Er zuckte zusammen, als es dort landete. Ich war ihm jetzt so nah, dass ich den wilden Duft seines Pelzes riechen und seinen warmen Atem spüren konnte.
    Und dann tat ich, was ich schon die ganze Zeit hatte tun wollen -ich streckte meine Hand nach ihm aus, und als er nicht zurückwich, vergrub ich beide Hände in seinem dichten Fell. Außen war es nicht so seidig, wie es aussah, aber unter dem drahtigen Deckhaar wurde es weich und flauschig.

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