Nach Dem Sommer
verwickelten Gerüchts, in dem ein Striptease sowie das komplette Footballteam eine entscheidende Rolle spielten. »Was ist denn?«
»Nicht hier«, zischte Isabel. »Komm mit raus.«
Ich verdrehte die Augen, stand widerwillig auf und schlich auf Zehenspitzen nach hinten zur Tür. Rachel warf mir einen kurzen, gequälten Blick zu, und ich war mir sicher, dass meiner dem in nichts nachstand.
»Eine Sekunde. Mehr nicht«, warnte ich Isabel, die mich über den Flur in einen leeren Klassenraum zerrte. An der Pinnwand gegenüber hingen lauter anatomische Zeichnungen; jemand hatte einer der Figuren einen Stringtanga angeheftet.
»Ja, ja. Schon klar.« Sie schlug die Tür hinter uns zu und beäugte mich misstrauisch, als fürchtete sie, ich könnte jeden Moment anfangen, schreiend im Kreis zu laufen. Ich hatte keine Ahnung, worauf sie wartete.
Ich verschränkte die Arme. »Okay. Was willst du?«
Ich hatte geglaubt, dafür gewappnet zu sein, aber als sie anfing: »Mein Bruder. Jack«, begann mein Herz doch zu rasen.
Ich sagte nichts.
»Heute Morgen beim Laufen hab ich ihn gesehen.«
Ich schluckte. »Deinen Bruder.«
Isabel richtete ihren perfekt gefeilten Fingernagel auf mich, glänzender als die Motorhaube meines Broncos. Ihre Locken wippten. »Komm mir nicht so. Ich hab mit ihm geredet. Er ist nicht tot.«
Ich kämpfte kurz mit der Vorstellung von Isabel beim Joggen -das passte einfach so was von gar nicht zu ihr. Vielleicht musste sie vor ihrem Chihuahua fliehen? »Äh.«
Isabel ließ nicht locker. »Irgendwas stimmte nicht mit ihm. Und sag jetzt bloß nicht: >Das liegt daran, dass er tot ist.< Ist er nicht.«
So charmant, wie Isabel war - und vielleicht auch, weil ich wusste, dass Jack wirklich lebte -, fiel es mir ziemlich schwer, Mitgefühl für sie zu empfinden. »Isabel«, sagte ich, »es kommt mir vor, als bräuchtest du mich für diese Unterhaltung gar nicht. Du machst das auch super alleine - sozusagen die perfekte Alleinunterhalterin.«
»Klappe«, entgegnete Isabel und bestätigte damit meine Theorie. Eigentlich wollte ich ihr das auch gleich mitteilen, aber was sie als Nächstes sagte, ließ mich verstummen. »Als ich Jack gesehen habe, sagte er, dass er gar nicht richtig gestorben ist. Und dann hat er angefangen, so komisch zu ... zucken, und gesagt, er müsse sofort gehen. Als ich ihn dann fragte, was mit ihm los ist, hat er gesagt, du wüsstest Bescheid.«
»Ich?« Meine Stimme klang etwas erstickt. Doch dann erinnerte ich mich an den flehenden Ausdruck in seinen Augen, als die Wölfin ihn zu Boden gedrückt hatte. Hilf mir. Er hatte mich also erkannt.
»Tja, das dürfte dich doch nicht gerade schockieren, oder? Jeder weiß doch, dass du und Olivia Marx die totalen Wolffreaks seid, und das Ganze hat ja offensichtlich was mit den Wölfen zu tun. Also, was ist hier los, Grace?«
Mir gefiel nicht, wie sie diese Frage stellte - als wüsste sie die Antwort eventuell schon. Das Blut rauschte mir in den Ohren; aus dieser Sache kam ich so leicht nicht wieder raus. »Pass auf. Ich verstehe ja, dass dich das alles sehr mitnimmt. Aber im Ernst: Du brauchst Hilfe. Lass Olivia und mich damit in Ruhe. Ich weiß nicht, was du da gesehen hast, aber Jack war es nicht.«
Die Lüge hinterließ einen üblen Nachgeschmack in meinem Mund, Ich begriff, warum das Rudel so auf Geheimhaltung bedacht war, aber Jack war immerhin Isabels Bruder. Hatte sie kein Recht, es zu erfahren?
»Ich hab mir das nicht eingebildet«, fauchte Isabel, während ich die Tür öffnete. »Ich finde ihn schon wieder. Und dann kriege ich auch raus, was du mit dem Ganzen zu tun hast.«
»Gar nichts«, gab ich zurück. »Ich interessiere mich einfach für die Wölfe. Und jetzt muss ich zurück in die Klasse.«
Isabel blieb in der Tür stehen und sah mir hinterher, und ich fragte mich, was sie sich wohl vorher von mir erwartet hatte.
Sie wirkte beinahe verloren, aber vielleicht war das auch nur Show.
Für alle Fälle wiederholte ich: »Isabel, such dir Hilfe.«
Sie verschränkte die Arme. »Ich dachte, das hätte ich.«
Kapitel 29 - Sam (12°C)
A ls Grace in der Schule war, blieb ich noch eine ganze Weile auf dem Parkplatz stehen. Ich dachte über die Begegnung mit der verrückten Rachel nach und darüber, was sie wohl mit ihrem Wolfskommentar gemeint haben könnte. Ich überlegte, ob ich mich auf die Suche nach Jack machen sollte, aber dann beschloss ich abzuwarten, was Grace in der Schule herausfand, bevor ich mich in irgendein
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