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Nach Dem Sommer

Nach Dem Sommer

Titel: Nach Dem Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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rutschte hinters Steuer. Zuerst dachte ich, er würde mir einen Abschiedskuss geben, aber er warf Rachel nur einen Blick zu und ließ seine Hand einen Augenblick auf meiner liegen. Er war knallrot.
    Rachel sagte kein Wort, lächelte jedoch verschlagen, bevor sie mich in Richtung Schule zerrte. Sie rüttelte an meinem Arm. »Also darum hast du nicht angerufen, ja? Der ist ja supersüß. Hat der einen Hauslehrer, oder was?«
    Als wir uns durch die Schultür drängten, warf ich noch einen Blick über die Schulter auf den Bronco. Sam winkte und fuhr dann rückwärts aus der Parklücke.
    »Ist er und hat er«, bestätigte ich. »Später mehr. Was ist mit den Wölfen?«
    Dramatisch fasste Rachel mich bei den Schultern.
    »Olivia hat einen gesehen. Er ist bis auf die Veranda vor ihrem Haus gekommen, und es gibt Krallenspuren , Grace. An der Tür. Der ab-so-lu-te Horror.«
    Ich blieb mitten auf dem Gang stehen; die Leute hinter uns stöhnten entnervt und drängelten sich vorbei. »Warte mal. Bei Olivia zu Hause?«, hakte ich nach.
    »Nein, bei deiner Großmutter.« Rachel schüttelte den Kopf und schälte sich aus ihren Regenbogenhandschuhen. »Sag ich doch, bei Olivia. Wenn ihr euch vertragen würdet, könnte sie's dir auch selbst sagen. Worüber streitet ihr euch überhaupt? Es bricht mir das Herz, wenn meine Mäuschen sich nicht lieb haben.«
    »Hab ich dir doch gesagt, es ist total albern«, wiederholte ich. Ich wünschte, Rachel würde einen Moment still sein, damit ich über den Wolf bei Olivia nachgrübeln konnte. War das wieder Jack gewesen? Und was hatte er bei Olivia gesucht?
    »Na ja, auf jeden Fall müsst ihr zwei langsam wieder nett zueinander sein, ihr sollt in den Weihnachtsferien nämlich alle beide mit mir wegfahren. Und so lange ist es nicht mehr bis dahin. Ich meine, wenn man erst mal anfängt zu planen und so weiter. Looos, Grace, jetzt sag schon Ja!«, quengelte Rachel.
    »Vielleicht.« Es war nicht so sehr der Wolf bei Olivia, der mir Sorgen machte, sondern vielmehr die Krallenspuren. Ich musste unbedingt mit Olivia sprechen und herausfinden, wie viel davon stimmte und wie viel Rachels Faible für spannende Geschichten zuzuschreiben war.
    »Ist es etwa wegen dem Jungen ? Der kann doch mitkommen! Mir macht das nichts!«, rief Rachel.
    Nach und nach leerte sich der Flur; es klingelte. »Wir reden später weiter!«, versprach ich, und wir beeilten uns, rechtzeitig zur ersten Stunde zu kommen. Ich ließ mich auf meinen Platz fallen und kramte nach meinen Hausaufgaben.
    »Wir müssen uns unterhalten.«
    Beim Klang einer vollkommen anderen Stimme wurde ich schlagartig aufmerksam: Es war Isabel Culpeper. Nachdem sie ihre Füße mit den überhohen Korkabsätzen unter dem Pult verstaut hatte, beugte sie sich zu mir herüber. Das sorgfältig gesträhnte Haar umrahmte ihr Gesicht in vollkommenen, glänzenden Korkenzieherlocken.
    »Äh, irgendwie haben wir gerade Unterricht, Isabel«, sagte ich und deutete auf den Fernseher vorn, in dem die Aufzeichnung der morgendlichen Ankündigung unserer Schulsprecherin lief. Unsere Lehrerin war schon da und beugte sich über ihr Pult. Sie schenkte uns zwar keine Beachtung, aber trotzdem war ich von der Aussicht auf eine Unterhaltung mit Isabel nicht gerade angetan. Im besten Fall brauchte sie Hilfe mit den Hausaufgaben oder so was; ich hatte den Ruf, ganz gut in Mathe zu sein, also war das durchaus möglich.
    Im schlimmsten Fall aber wollte sie mit mir über Jack reden.
    Sam hatte gesagt, dass es im Rudel nur diese eine Regel gab: nicht mit anderen über die Werwölfe zu reden. Ich hatte nicht vor, diese Regel zu brechen.
    Isabel zog noch immer ein niedliches Schmollmündchen, aber in ihren Augen brauten sich Stürme zusammen, die ganze Dörfer zerstören konnten. Nach einem Blick zum Lehrerpult beugte sie sich noch näher zu mir. Ich roch ihr Parfüm - Rosen und Sommer mitten in der Kälte Minnesotas. »Es dauert auch nur eine Sekunde.«
    Ich sah zu Rachel hinüber, die bereits irritiert die Stirn runzelte. Ich wollte wirklich nicht mit Isabel reden. Viel wusste ich zwar nicht von ihr, aber ich kannte sie als gefährliches Lästermaul, das fähig war, meinen Status in der Schule im Nu auf ein Ziel für Essensgeschosse in der Cafeteria zu reduzieren. Ich musste nicht auf Teufel komm raus beliebt sein, aber ich wusste noch genau, was mit der letzten Mitschülerin passiert war, die es sich mit Isabel verdorben hatte. Sie erholte sich noch immer von den Folgen eines überaus

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