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Nach der Hölle links (German Edition)

Nach der Hölle links (German Edition)

Titel: Nach der Hölle links (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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musterte mit mildem Interesse, wie er starb.

    Andreas warf sich herum in dem heftigen Verlangen, die Fenster aufzureißen und Sauerstoff in das stickige Schlafzimmer zu lassen. Die Nachwehen des Traums klebten wie Sirup an Haut und Denken. Es gelang ihm nicht, die gierigen Finger des Schlafs abzustreifen. Stattdessen blieb er keuchend in einer Halbwelt hängen, die ihm den Eintritt in die Wirklichkeit versagte.
    Der letzte Schleier ließ sich nicht zerteilen. Er wollte aufwachen und erleichtert sein, den Kopf schütteln, vielleicht einen Schluck Wasser trinken – nein, kein Wasser – und anschließend in ruhigen Schlaf gleiten. Sortiert und in dem Wissen, dass ihm nichts geschehen konnte. Er scheiterte. Stattdessen fiel er in den nächsten Traum.

    Violettes Licht floss aus durchlässigen Pergamentwänden auf Andreas zu. Es war ein weiches, wohlmeinendes Licht. Ein Teil seiner Seele erinnerte sich an den vorherigen Traum und war beruhigt.
    Ätherische Gestalten, die weiße Schatten warfen, bewegten sich um ihn herum. Manchmal fassten sie nach ihm, strichen ihm über das Gesicht oder berührten etwas, das unter seiner Haut lag. Ihm war, als würden sie singen, doch er konnte sie nicht hören. Vielmehr spürte er das Echo ihrer Stimmen nach ihm greifen. Es legte sich als dunkelblaue Wolldecke über ihn.
    Sie roch vertraut, nach einem Schutz, den er verloren hatte. Er streichelte die verfilzten Fäden. Andreas wusste, dass diese Decke früher auf seinem Bett gelegen hatte.
    Als hätte diese Erkenntnis eine Kettenreaktion in Gang gesetzt, tauchte die Treppe der Villa vor ihm auf. Sie überwand das violette Lichtspiel und streckte sich bis in die Troposphäre. Er konnte Wolken an der obersten Stufe vorbeiziehen sehen. Sie sahen weich aus. Er wollte sie berühren.
    Langsam stieg Andreas hinauf. Er war auf beruhigende Weise klein. Zu klein, um nach dem frisch gestrichenen Geländer zu langen. Der Geruch der Lackfarbe war tröstlich. Er verhieß, dass jemand das Gebäude seiner Kindheit instand hielt.
    Er dachte: »Endlich haben sie die Treppe repariert. Sie wäre fast verfallen. Und was wäre dann aus mir geworden?«
    Oben erwartete ihn eine Vertrautheit, die das Surreale des Traums schwinden ließ. Das fremdartige Licht löste sich auf, die Wolken waren fort. Die Tür zu seinem Zimmer lächelte ihm entgegen. Ihm war nach Weinen zumute, als er die Klinke nach unten drückte und eintrat. Alles war an seinem Platz. Nur die Bildbände von fernen Ländern waren verschwunden und hatten langen Reihen von Fotoalben Platz gemacht.
    Vor einem der Regale stand Sascha. Sein Gesicht war abgewandt, der Blick in eines der Alben vertieft. Umsichtig, fast zärtlich blätterte er die Seiten um und betrachtete die Fotos. Zwischen seinem eingelaufenen Tank-Top und der Hose zeigte sich ein Streifen Haut.
    Als er den Träumenden näherkommen hörte, fragte er: »Wann warst du in Afrika?«
    Andreas wusste es nicht. Die Hauptsache war, dass er sich daran erinnerte, im Serengeti-Nationalpark gewesen zu sein und angesichts der Weite und Vielfalt Tansanias in die Knie zu sinken. Wenn es einen Garten Eden gegeben hatte, dann an diesem wilden, die Menschenhand verspottenden Ort, an dem Zeit keine Rolle spielte.
    Lautlos trat er an Sascha heran und legte von hinten die Arme um ihn. Das Gesicht vergrub er an seiner Schulter. Glücklich, wie er es selten zuvor gewesen war.
    Es schnappte, als die Stahlriegel vor Fenstern und Tür an ihren Platz sprangen und ihnen Sicherheit gewährten. Nichts und niemand konnte sie trennen.
    Andreas küsste Saschas Hals, erfreute sich an dem Sträuben feiner Härchen im Nacken. Er setzte beide Zeigefinger an den Schultern seines Freunds an und ließ sie parallel nach unten gleiten. Er passierte die Brustwarzen, fand sie fest, wanderte tiefer und machte sich einen Spaß daraus, langsamer zu werden, als Sascha sich an ihn drängte.
    »Wir sind ganz allein«, gurgelte es an seinem Ohr. »Niemand kann uns erreichen. Niemand kann dich schützen.«
    Andreas hörte die Worte, nahm aber ihren Sinn nicht wahr. Er biss Sascha zärtlich in den Nacken und musste an die Löwenmutter denken, die ihr Junges gemessenen Schritts packte und in den Schatten trug.
    Das Material, in das Andreas seine Zähne schlug, war ihm fremd. Gummiartig, feucht. Angewidert schüttelte er sich. Er zog sich nicht zurück, sondern versuchte, den seltsamen Geschmack von Saschas Haut zu lecken. Ziellose Streicheleinheiten dankten ihm seine Bemühungen. Wie

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