Nach der Hölle links (German Edition)
Steine stürzten von seinen Schultern. All die Fragen, die ihn in den vergangenen Tagen belastet hatten, lösten sich auf.
Ohne die schützende Hand von den Augen zu nehmen, atmete er schaudernd ein: »Das fühlt sich gut an.«
Ein Schnauben antwortete ihm: »Dafür sind Freunde da, oder?«
Saschas Herz setzte einen Schlag lang aus. Halb, weil Andreas mit seinen Worten ihre Verbindung zementierte. Halb, weil der zärtliche Unterton ihn plötzlich überforderte.
In seiner Sorge, dass sich neue Spannungen zwischen ihnen aufbauen könnten, flachste er: »Um einen erst mit Schokolade zu vergiften und einem anschließend den Wanst zu kraulen?«
Andreas schwieg einen Moment, dann raunte er: »Ja, das auch.« Seine Finger kamen nicht zum Stillstand. Sie zogen ihre Bahnen, schrieben ungelesene Worte auf Saschas Bauch.
Nachdem sie eine Weile geschwiegen hatten, bot Andreas an, einen Film einzulegen. Sascha stimmte zu, obwohl ihm herzlich egal war, ob ihm Unterhaltung geboten wurde. Er dachte nicht mehr. Er erinnerte sich an die Zeit, in der Andreas und er zusammen gewesen waren. Daran, dass sie so viel mehr verbunden hatte als heißer Sex und schwierige Familienverhältnisse. Andreas war seine Festung gewesen, sein Rückzugsort.
Drei Jahre später hatte sich daran nichts geändert. Und Sascha musste feststellen, dass er die Ruhe in der Gegenwart seines Freunds vermisst hatte.
Als Andreas sich wieder setzte, machte er keine Anstalten, auf Distanz zu gehen. Mit größter Selbstverständlichkeit glitt seine Hand an ihren Platz zurück. Das schien Sascha Grund genug, um seinerseits etwas zu wagen. Sein Kopf sank zur Seite, drängte sich mit der Wange gegen Andreas’ Schenkel. Er wartete. Hörte das Blut in seinen Ohren rauschen. Dann kam die Erleichterung. Weder wurde er weggeschoben noch zeigte der Körper an seiner Seite Zeichen von Anspannung oder Unbehagen.
Sascha atmete hörbar aus. Das Leben war gut.
Kapitel 32
Das Schwimmbad roch nach Chlor und vergessener Zeit. Die Wände waren mit beigen Fliesen geschmückt, und einige spiegelten die Jahre des Bauwerks in Rissen wider. Dazwischen bewegten sich grün-blaue Mosaike, die Meeresbewohner darstellten: Fische, Quallen und Korallen.
Er schwamm in Brustlage im salzig riechenden Wasser. Es war kühl, sodass er in Bewegung bleiben musste, wenn er nicht frieren wollte. Eines der Mosaike am Grund des Beckens stellte einen Delfin dar. Das Tier folgte ihm neugierig durch den Stein.
Andreas schwamm auf die Startblöcke zu. Seine Hände teilten die glatte Oberfläche. Er wendete unter Wasser mit einer Rolle, wie es die Profis taten. Das Auftauchen vergaß er. Stattdessen griff er nach der Flosse des Delfins und ließ sich von ihm durch das karibisch blaue Wasser ziehen.
Als er die Augen öffnete, sah er Muscheln auf dem Meeresboden. Er löste sich von seinem Begleiter und glitt tiefer, um sie zu berühren. Ihre Struktur war faszinierend; schwammig und ehern zugleich. Ob es ihm gelingen würde, eine von ihrem angestammten Platz zu brechen? Er war sicher, dass sich unter der matt gelben Schale Schätze unermesslichen Werts verbargen. Doch so sehr er auch mit der Muschel kämpfte, sie gab nicht nach.
Andreas ging die Luft aus. Blasen stiegen um ihn auf. Er würde später wiederkommen.
In dem Gefühl, das unsichtbare Flossen seinen Beinschlag verstärkten, glitt er Richtung Sonne, dem Sauerstoff entgegen. Seine Bewegungen waren fließend und gleichmäßig, er war in seinem Element.
Die Wasseroberfläche rückte nicht näher. Stattdessen tauchten Schatten am Beckenrand auf, die sich nach und nach zu einer Gestalt verdichteten. Andreas bekam Angst, verstärkte seine Bemühungen. Ein Krampf schoss durch sein Bein. Nein, kein Krampf. Etwas hielt ihn fest. Der Delfin war nicht länger Delfin. Er hatte sich in eine Venusfliegenfalle verwandelt, die unter Wasser an ihm festhielt.
Er schrie. Mehr Luftblasen tanzten an ihm vorbei nach oben. Unmöglich, ihnen zu folgen.
Durch die verzerrte Wasserwelt sah Andreas ihn am Beckenrand sitzen; gelassen, mit einer Dose Cola in der Hand. Er kannte ihn. Ihn, der tatenlos zusah, wie er darum kämpfte, aufzutauchen.
Eine Zentnerlast drückte auf seine Brust. Er fürchtete sich, schlug mit Armen und Beinen, wusste, dass er jeden Augenblick ertrinken würde. Öffnete den Mund, atmete Wasser in die Lungen. Es verbrannte ihn. Die Venusfliegenfalle lachte und zerrte ihn in die Tiefe. Die Gestalt über ihm legte neugierig den Kopf schief und
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