Nach der Hölle links (German Edition)
steifen Muskeln und Schokoladenbombardement hielt.
»Und was treibst du so?«, warf Andreas die unbeantwortete Frage zwischen ihnen auf. Eine kaum sichtbare Falte lag auf seiner Stirn.
»Das Übliche«, gab Sascha vage zurück. »Ein bisschen Ärger in der Uni, zu viele Vorlesungen, schwimmen gehen, mich mit Freunden treffen …« Gab es keine spannenderen Neuigkeiten, die er zu teilen hatte? »Der nächste Umzug steht an.«
Die Furche auf Andreas’ Stirn vertiefte sich. »Umzug? Aber nicht du schon wieder, oder? Hast du deine Tante schon über?«
»Nein, nicht ich.« Hitze brannte einen Kreis in Saschas Bauch. Hastig trank er sein Glas aus. »Katja zieht nach Hamburg.«
»Deine kleine Schwester?«
»So klein ist die gar nicht mehr. Sie hat dieses Jahr Abi gemacht und fängt jetzt an zu studieren. Die Glückliche hat gleich einen Platz im Wohnheim bekommen.«
Andreas überlegte kurz, bevor er vorsichtig fragte: »Deine Mutter wird davon nicht so begeistert sein, hm? Wie … läuft es denn mit ihr?«
Das war kein Thema, über das Sascha reden wollte, solange die Schokolade in ihm rumorte. »Nein, sie ist nicht begeistert. Und natürlich bin ich schuld, dass Katja nach Hamburg gehen will. Ansonsten, ich meine, sie ist bigott. Was erwartest du? Sie wird sich nicht mehr ändern, aber wir kommen zurecht. So etwas Ähnliches zumindest.«
»Oh …«, machte Andreas betroffen. Er hüstelte und legte seltsam sittsam beide Hände auf die Oberschenkel. »Wann ist der Umzug denn? Ihr braucht doch sicher Hilfe?«
Sascha war überrascht. Wollte Andreas sich erneut in die Umzugshölle stürzen und sich dabei auch noch mit seiner Familie herumschlagen?
»Mein Vater wird mitkommen. Vielleicht auch meine Mutter.«
»Oh, verstehe. Dann lassen wir das lieber, oder?«, erwiderte Andreas sichtlich geknickt. Nein, nicht geknickt: verletzt.
Sascha verfluchte sich für seine Unbedachtheit. Wie sollte er Andreas deutlich machen, dass er sich nicht für ihn schämte, sondern ihm die angewiderte Miene seiner Mutter ersparen wollte?
»Nein, du verstehst nicht«, stammelte er und schluckte. »Es ist nur … mein Vater und Katja sind ganz unkompliziert. Aber falls meine Mutter kommt … ich kann nicht garantieren, dass sie nicht hässlich zu dir wird.«
»Woher sollte sie wissen, wer ich bin?«
Weil man ihnen wahrscheinlich ansah, dass sie mehr als Freunde waren.
»Sie ist nicht dumm. Dein Name wird sie hellhörig werden lassen. Und sie hat eine scharfe Zunge.« Sascha ließ sich tiefer in die Couch sinken, streckte sich aus. Das Brennen in seinem Bauch hatte sich zu einem deftigen Sodbrennen ausgewachsen.
»Damit werde ich schon …«, Andreas unterbrach sich. »Was ist los, geht es dir nicht gut?«
»Wie kommst du darauf?«, gab Sascha halb ironisch, halb ernst zurück.
»Bist ein bisschen blass um die Nase.«
»Hmpf.«
»Sascha?«
Er ließ sich auf den Rücken sinken und legte die Hand über die Stirn. »Schon okay. Mein Innenleben probt den Aufstand. Bisschen viel Schokolade. Oder zu viele Sorten durcheinander.« Das Sofakissen roch tröstlich.
Es knarrte, das charakteristische Geräusch von verlagertem Gewicht auf Leder. »Brauchst du einen Eimer?«
»Ne, so schlimm isses nicht«, schüttelte er den Kopf.
»Warte mal …«, murmelte Andreas und sprang auf. Seine Schritte entfernten sich. Sascha hörte ihn in die Küche gehen und anschließend eine Schublade knallen. Als er zurückkam, setzte er sich dicht neben ihn. »Mund auf.«
»Schon wieder?«, witzelte Sascha halbseiden, ließ sich jedoch willig eine Tablette zwischen die Lippen schieben. Sie schmeckte nach Kreide, doch er bemerkte es kaum. War das Andreas’ Bein an seinem Kopf? Musste es sein. Die Couch zog sich um drei Seiten der Sitzecke. Sascha lag auf einer der Längsseiten, Andreas saß auf dem Mittelteil. Sie waren sich nah, sehr nah. Sollte er den Kopf zur Seite legen und Kontakt suchen? Vorsichtig? Als wäre es ein Versehen?
Bevor Sascha Mut fassen konnte, legte sich eine Hand auf seinen Bauch. Tastend wanderte sie über sein Zwerchfell, verlief sich zur Brust und blieb schließlich warm auf Magenhöhe liegen. Sachte Fingerspitzen zogen Kreise, streichelten ihn. Ein Beben rann durch seine Beine und breitete sich wie strömendes Wasser in seinem Oberkörper aus. Er konnte spüren, dass die Tablette ihre Arbeit aufnahm und die Magensäure band. Zeitgleich spürte er ungläubig der unerträglichen Sanftheit in Andreas’ Berührungen nach. Unsichtbare
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