Nach der Hölle links (German Edition)
ersten Mal seit Wochen frei atmen lassen. Er wusste doch genau, warum er hier war. Er wollte Sascha sehen, und zwar nicht nur heute. Er wollte ihn festhalten und den Kopf an seine Schulter legen. Das Einzige, was ihn davon abhielt, war, dass er sich nicht traute. Getraut hatte.
Die verzagte Hoffnung auf Saschas Zügen bewies Andreas, wie grausam er sich verhalten hatte. Absicht oder nicht, er hatte ihn zu lange warten lassen, ihn zu harsch zurückgestoßen. Andreas wollte es wiedergutmachen. Er wollte Sascha geben, was dieser sich wünschte. Er wollte, dass sie sich nah waren und sich wiederfanden. Blieb nur ein Problem.
»Ich habe Angst«, fasste Andreas sein Dilemma knapp zusammen. »Ich habe schreckliche Angst.«
»Vor mir?«
Ruckartig schüttelte er den Kopf. »Davor, dass ich mich an dich gewöhne, und du gehst.«
Saschas Zunge huschte nervös über seine Lippen. Er hatte zweifelsohne versucht sich einzureden, dass Andreas’ Besuch harmloser Natur war. Nun hatte er Gewissheit. Kurz wandte er den Blick ab, fuhr sich durch die Haare. Dann fixierte er Andreas aus auffallend hellen Augen. »Ich werde nicht weglaufen. Niemand kann garantieren, dass wir für alle Ewigkeit zusammen sein werden. Aber ich verspreche dir, dass ich nicht noch einmal weglaufe und dich allein lasse.«
Innerlich bebend sah Andreas zur Zimmerdecke hoch. Dann stieß er aus: »Okay.«
»Okay?« Sascha klang heiser.
»Ja …«
Andreas war sich seiner eigenen Zerbrechlichkeit übermäßig bewusst. Eine Schrecksekunde lang wollte er alles zurücknehmen. Er hatte gar nicht richtig darüber nachgedacht. Wie konnte er so dumm sein, sich auf Sascha einzulassen? Was waren Lippenbekenntnisse wert? Was tat er hier überhaupt? Warum war er nicht zu Hause geblieben?
Er musste fort. Unverzüglich.
Bevor Andreas flüchten konnte, kam Sascha auf ihn zu, und er fand sich in einer innigen Umarmung wieder. Starke Arme klammerten sich um Schultern und Taille. Eine Hand grub sich in seinen Nacken, fuhr daran entlang, rieb beruhigend darüber. Der Arm in seinem Rücken gab Halt. Vorn ein Körper, um sich dagegen zu lehnen, hinten ein Schutz, der den Kreis schloss.
Andreas hielt sich fest, rieb sein Gesicht an Saschas Kehle, während das Gefühl von Wärme und Geborgenheit ihn überwältigte. Das einsetzende Zittern stammte von seinen Muskeln, die sich entspannen durften. Es wurde beantwortet, indem ihre Umarmung enger wurde. Ihre Brustkörbe drückten sich aneinander, bis es schmerzte.
Ein Räuspern an seinem Ohr, dann flüsterte Sascha: »Endlich. Alles wird gut. Hab keine Angst. Ich werde gut auf dich aufpassen. Zusammen bekommen wir alles hin. Und es stört mich nicht, wenn es manchmal schwierig wird. Hauptsache, ich habe dich wieder.«
Es waren genau die richtigen Worte. Das, was Andreas hören wollte und musste. Sascha wusste, worauf er sich einließ und wollte ihn trotzdem haben. Mit all seinen Macken, Unstimmigkeiten und Handicaps.
»Bleib bei mir«, bat er tonlos. »Geh nicht weg.«
»Ich bleibe«, wiederholte Sascha leise, bevor er den Kopf neigte und Andreas’ Mund suchte.
Der erste Kuss landete auf seiner Wange, der zweite verrutschte auf der Oberlippe, beim dritten fanden sie sich. Kurze, sanfte Berührungen, kaum spürbar. Zum Heulen zärtlich. Frage und Antwort. Immer wieder. Euphorie löste Andreas’ Ängste ab und ließ ihn zugreifen.
Er umfasste Saschas Hintern, streichelte seinen Rücken, seinen Hinterkopf, hielt ihn fest, damit er ihn tiefer küssen konnte.
Als sie sich kurz voneinander lösten, murmelte Sascha: »Heilige Scheiße. Ich will mit dir ins Bett.« Er presste seinen Unterleib an Andreas’ Bein. »Und dieses Mal stehen wir nicht heimlich morgens auf und kotzen uns die Seele aus dem Leib, ja?«
Andreas lachte bebend und legte den Kopf an Saschas Schulter. »Ich kann dir nichts versprechen. Aber ich gebe mir Mühe.«
»Im Zweifelsfall campieren wir eben zusammen im Bad.«
»Und gehen hinterher wieder ins Bett?«
»Ich bin froh, dass wir uns so gut verstehen«, grinste Sascha, aber es lag ein ernsthafter Unterton in seiner Stimme.
Bevor sie sich im nächsten Kuss verlieren konnten, flog die Tür auf. Andreas wollte einen Satz rückwärts machen, doch Sascha hielt ihn fest und knurrte über seine Schulter hinweg: »Anklopfen! Wann kapierst du das endlich, du Grottenolm?
Andreas verrenkte den Hals, um etwas zu sehen.
Ein Teenager mit einer beachtlichen Anzahl Pickel auf der Nase stand in der Tür und musterte
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