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Nach der Hölle links (German Edition)

Nach der Hölle links (German Edition)

Titel: Nach der Hölle links (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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Eine sehr angenehme, wunderbare, süchtig machende Komplikation.
    Als Andreas vor Saschas Zimmertür stand, bestand sein Innenleben aus einem Knäuel widersprüchlicher Empfindungen. Angst, Aufregung, Wiedersehensfreude, Neugier und Hysterie gaben sich die Klinke in die Hand. Darunter schimmerte eine Spur Stolz durch, weil er weiter gekommen war als je zuvor. Vorsichtig klopfte er an.
    »Hm?«, antwortete es ihm abwesend.
    Andreas schichtete seinen Mut um sich herum auf wie eine schützende Mauer und öffnete die Tür. Sascha saß an seinem Schreibtisch, den Kopf in den Händen vergraben, den Blick auf drei nebeneinanderliegende Bücher gerichtet. Ein Kugelschreiber steckte zwischen seinen Fingern.
    Andreas kam es vor, als würde er in eine fremde Welt eintauchen. Nie zuvor war er in Saschas eigenen Räumen gewesen, hatte nie gesehen, wie er lebte. Zu gern hätte er sich umgeschaut, neugierig die Poster an den Wänden betrachtet oder einen Blick ins Bücherregal geworfen.
    Ihm blieb keine Zeit, denn Sascha hob den Kopf. Seine Miene wechselte von leichter Gereiztheit über die Störung zu Unglauben und schließlich – Andreas’ Herz hüpfte ihm in die Kehle – zu einem freudigen Strahlen.
    »Hey, wo kommst du denn her?«, sagte Sascha und sprang auf. Der Block fiel achtlos zu Boden. »Das ist ja … also damit hatte ich gar nicht gerechnet. Wow. Toll.«
    »Ich hoffe, es ist okay?«, fragte Andreas unsicher. »Ich hätte anrufen sollen, oder?«
    »Was? Nein. Nein nein, du kannst vorbeikommen, wann du willst. Tag und Nacht. Immer. Ich meine, ich bin froh, wenn ich die Bücher in die Ecke werfen kann.«
    »Dann halte ich dich vom Lernen ab?«
    »Nein. Ja, aber das ist völlig okay. Passt mir gerade gut.«
    Sascha grub die Hände in die hinteren Hosentaschen und stand so verloren im Raum, wie Andreas sich fühlte: »Hast du Durst? Hunger? Ich kann den Kühlschrank plündern, wenn du willst.«
    Andreas rechnete Sascha hoch an, dass er nicht als Erstes fragte, was er überhaupt wollte. Dabei lag ihm die Frage sichtlich auf der Zunge.
    Er zog die Hände aus den Taschen und verschränkte sie, ließ die Daumen umeinander kreisen.
    Nach Tanjas freundlicher Begrüßung fand Andreas sich zum zweiten Mal getröstet. Es tat gut zu wissen, dass er nicht allein nervös war.
    Seltsam, dachte er. In meiner Wohnung waren wir nie so unsicher.
    Andreas stellte fest, dass er ebenfalls nicht wusste, wohin er mit seinen Händen sollte. Er trommelte mit den Fingern gegen seinen Oberschenkel und schüttelte den Kopf, als er sich erinnerte, dass ihm eine Frage gestellt worden war.
    Saschas Haare waren neu gefärbt und wunderbar zerwühlt. Eine frische Sonnenbräune täuschte über die müden Ringe unter seinen Augen hinweg. In der schlichten Blue Jeans und dem schwarzen, schmucklosen T-Shirt sah er besser als je zuvor aus. Andreas wollte auf ihn zugehen, ihn umarmen und nie wieder loslassen. Nicht, dass ein solches Verhalten infrage gekommen wäre. Aber ihm war danach, und selbst er konnte nicht abstreiten, dass solche Gefühle etwas zu bedeuten hatten.
    »Dann … willst du dich setzen? Wie geht es dir?«, bot Sascha an. »Du siehst besser aus als neulich.«
    Andreas zog die Augenbraue hoch. Dass er besser aussah als an dem Morgen, als er sich an die Kloschüssel geklammert hatte, wollte er schwer hoffen.
    Seinem Gegenüber fiel der Fauxpas auf. Er holte zischend Luft und winkte ab. »Äh ja. Vergiss es. Was ich sagen sollte: Schön, dass du da bist. Setz dich. Und ja, ich habe nicht aufgeräumt. Sieht ziemlich schlimm hier aus. Warte, ich nehme die Sachen vom Bett.«
    Sascha griff in den Berg frischer Wäsche, die seine Matratze blockierte, sammelte Socken und Unterhosen ein und sah sich verloren um, bevor er sie vor den Kleiderschrank warf. Dabei redete er unablässig weiter.
    Andreas hörte ihm nicht zu. Er fühlte sich sehr eigenartig. Als würde ihm der innere Prozessor durchbrennen und er die Kontrolle über seine eigenen Handlungen verlieren. Er sah eine Ohnmacht, einen Tobsuchtsanfall oder verräterische Aussagen auf sich zukommen. Aussagen wie: »Du hast mir gefehlt.«
    Sascha ruckte herum und ließ davon ab, Socken vom Bett zu sammeln. Sein plötzliches Schweigen machte Andreas bewusst, dass er laut gesprochen hatte. Stumm verfluchte er sich. Es war nicht fair, Sascha so etwas an den Kopf zu werfen, ohne zu wissen, was Andreas wollte. Aber war das die Wahrheit?
    Ihm war, als würde ein Knoten in seiner Lunge platzen und ihn zum

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