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Nach der Hölle links (German Edition)

Nach der Hölle links (German Edition)

Titel: Nach der Hölle links (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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ehrlich zu begegnen.
    »Hat er gesagt, warum er im Moment dauernd auf dem Thema herumreitet?«, fragte Sascha.
    »Ja, jein. Er meint eben, es sei an der Zeit. Arbeit läuft. Triton läuft. Wir beide laufen. Der wöchentliche Spaßplan läuft auch.« Der Sarkasmus in dem Wort Spaßplan quoll geradezu aus dem Bildschirm. »Also will er an die nächste Baustelle ran. No rest for the wicked . Damit ich klare Verhältnisse habe und es nicht durch einen Unfall herauskommt. Ich weiß nicht, wie viele Situationen er mir vorgebetet hat, durch die meine Eltern zufällig von dir erfahren könnten. Weil Sina und Fabian sich verquatschen, weil Tanja der Kragen platzt, weil sie mich besuchen, wenn wir gerade miteinander im Bett sind, weil jemand uns auf der Straße sieht. Und so weiter, und so weiter.«
    »Na ja, ganz von der Hand weisen lässt sich das nicht«, gab Sascha vorsichtig zurück. Rasch fügte er hinzu: »Wie wäre es, wenn ich dabei bin?«
    »Und den Puffer für mich spielst? Von wegen. Phobien hin oder her, ich bin kein Feigling. Das fehlte mir gerade noch, dass ich vor meinen Eltern kusche.« Ein kurzes Zögern, dann flammte über den Monitor: »Ich nehme sie mir einzeln vor. Übermorgen meine Mutter. Ich habe sie schon angerufen. Sie ist wieder zu Hause.«
    »Wow, echt?«
    Sascha wusste, dass Margarete von Winterfeld seit ihrem Unfall zwei Kuren absolviert hatte und von der zweiten Reise vor wenigen Tagen zurückgekehrt war. Andreas’ Wagemut beeindruckte ihn. Nach dessen anfänglichem Geschimpfe hatte er nicht damit gerechnet, dass sich dahinter eine gefällte Entscheidung versteckte. Nein, sein Freund war kein Feigling.
    »Ja. Und sei es nur, damit Köninger endlich aufhört, mir auf den Sack zu gehen. Der Kerl ist schlimmer als Filzläuse.«
    Zwischen Amüsement und Sorge schwankend verzog Sascha den Mund, bevor er tippte: »Ich wusste gar nicht, dass du dich mit Filzläusen auskennst.«
    »Arsch.«
    Sascha lächelte und dachte daran, genüsslich das Gesicht zwischen Andreas’ Hinterbacken zu schieben. »Wo du gerade davon anfängst: Wenn du übermorgen mit deiner Mutter sprichst, kommst du hinterher zu mir? Ich habe zwar Freitag fiese, frühe Vorlesungen und bis dahin irre viel zu tun, aber wir könnten uns wenigstens kurz sehen.«
    Nicht nur, um die angestaute Sehnsucht loszuwerden, sondern auch, um dich aufzufangen, falls der Besuch bei deiner Mutter in die Hose geht, fügte Sascha in Gedanken hinzu.
    »Ja. Wenn ich hinterher nicht total im Eimer bin. Lange kann ich aber nicht. Ich will Triton nicht ewig allein lassen.«
    »Vielleicht solltest du ihn mitnehmen.«
    »Genau, und meine Mutter bekommt den ersten hysterischen Anfall, noch bevor ich im Haus bin. Tolle Idee.«
    Sie kabbelten sich noch eine Weile über die Leitung, bis sie sich widerwillig voneinander trennten. Andreas musste einkaufen, und Sascha hatte etliche Kapitel schwerer Kost vor sich. Am Ende des Gesprächs versprachen sie sich ein gemeinsames Wochenende, an dem sie nichts und niemand stören würde. Danach war Sascha das Gekreische im Garten vollkommen egal.
    * * *
    Die Versuchung, dem Bürgersteig fünfzig Meter weiter zu folgen und am Haus seiner Kindheit vorbeizugehen, war groß. Er konnte den Termin platzen lassen. Niemand erwartete von ihm, dass er seine Hürden beim ersten Mal übersprang. Die, die ein Interesse daran hätten, hatten kein Recht, etwas von ihm einzufordern – und die wenigen, die in der Position waren, Erwartungen an ihn zu haben, taten es nicht.
    Andreas wollte die Schultern straffen, nur um festzustellen, dass er zu verkrampft war, um sie zu bewegen. Er fürchtete sich vor der Konfrontation, der er entgegen ging. Davor, nicht angemessen reagieren zu können, vor dem Betreten der Villa, vor Ablehnung und Unverständnis.
    Vor allen Dingen aber ärgerte er sich, und zwar ganz bewusst. Hätten seine Eltern sich auf angemessene Weise für ihn interessiert, als er bei ihnen lebte, wäre er jetzt nicht in der Situation, sich outen zu müssen. In einer liebevollen Familie hätte er nicht verschwiegen, dass er schwul war. Er wäre vor Jahren damit herausgerückt.
    Seine Wut half ihm, machte ihn stark. Er ging nicht vorbei. Mit versteinerter Miene betrat er den gewundenen Plattenweg, den er früher nicht hinter sich lassen konnte. Das Podest zu betreten und zu klingeln, war ein weiterer Meilenstein. Andreas wurde schmerzlich bewusst, dass er nie einen Hausschlüssel zur Villa besessen hatte. Wer nicht ging, musste nicht

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