Nach der Hölle links (German Edition)
so, ich habe Besuch«, antwortete er und ging mit hochgezogenen Schultern voran in die Küche. Er wollte nicht, dass Mandy und seine Eltern aufeinandertrafen. Richard und Margarete folgten ihm und sahen sich neugierig um. Wahrscheinlich prüften sie, ob er die Wohnung sauber hielt. Wie gut, dass er heute Morgen erst die Arbeitsflächen gewienert hatte.
Kaum war der Gedanke durch Andreas’ Kopf gegeistert, ärgerte er sich darüber. Es ging seine Eltern nichts an, ob er putzte oder nicht, solange sich keine Kakerlaken und Heerscharen von Silberfischchen bei ihm einnisteten.
»Besuch? Das ist ja nett«, freute sich seine Mutter eine Spur zu übermütig. »Hast du gekocht?«
»Nein, wir pulen Krabben.«
»Oh, das ist ja nett«, wiederholte Margarete wie ein Papagei. Sie trat ans Fenster, während Richard den mysteriösen Karton auf die Arbeitsplatte setzte. Andreas warf einen Blick auf den Schriftzug des Herstellers.
»Ein Monitor?«, fragte er in Ermangelung eines Gesprächsthemas.
»Genau«, meldete sein Vater sich zu Wort. »Das neueste Modell. Unsere Werbeabteilung arbeitet damit. Ich habe ja nicht viel Ahnung davon, aber ich habe mir sagen lassen, dass es der beste Monitor auf dem Markt ist.«
Das war gut möglich. Der Hersteller sprach für sich. Allerdings beschäftigte Andreas sich nicht mehr so viel mit Computern wie früher. Er verbrachte immer noch reichlich Zeit davor, aber er jagte keinen High-End-Standards mehr hinterher.
Die erwartungsvollen Blicke seiner Eltern verbrannten Andreas die Haut. Im gnadenlosen Licht der hellen Küche wirkten ihre Züge hölzerner denn je.
Richard hatte in den vergangenen Jahren an Gewicht zugelegt. Sein Haarwuchs ließ sichtlich nach, und sein Gesicht hatte die schwammige Substanz angenommen, die Menschen eigen war, die sich schlecht ernährten und keinen Sport trieben. Gegen seine Ehefrau sah Richard jedoch wie das blühende Leben aus. Er wirkte auf schwer zu beschreibende Weise wirklich, während von Margarete etwas Surreales ausging. Andreas fand seine Überlegungen hässlich, aber manchmal erinnerte sie ihn an die prominenten Frauen, die nicht erkannten, wann es Zeit war, mit den Schönheitsoperationen aufzuhören. Er wusste, dass sie sich die Stirn mit Botox aufspritzen ließ und regelmäßig zum Kosmetiker ging, der mit allerlei Tricks und Kniffen versuchte, ihre Jugend zu erhalten. Nur waren diese Bemühungen sinnlos, solange sie nicht richtig aß und zu viel Stress hatte. Sie war hohlwangig und viel zu mager.
Beide sahen alt aus. Vielleicht rang Andreas sich deshalb zu einem kleinen Lächeln durch. »Danke. Der ist echt super.«
Augenblicklich wirkte die Miene seiner Mutter weniger wächsern. Ein Hauch Leben legte sich auf ihre Züge, als sie die manikürten Fingernägel über die Arbeitsplatte gleiten ließ. »Wir wollten dich fragen, ob du vielleicht Lust hast, uns zum Essen zu begleiten.«
»Ein Geschäftsessen?«, rutschte es Andreas heraus, bevor er sich bremsen konnte.
»Nein«, entgegnete sein Vater schwerfällig. »Wir würden gern das französische Restaurant in der Innenstadt ausprobieren, um herauszufinden, ob es geeignet für eine bestimmte Veranstaltung … ist.« Ein finsterer Blick Margaretes ließ ihn auf halber Strecke zögern.
Mit Mühe verschluckte Andreas eine böse Bemerkung. Die beiden machten ihn manchmal so wütend, dass er ihnen am liebsten etwas an den Kopf geworfen hätte – Äpfel, einen Becher Joghurt oder die Frage, wann sie begreifen würden, dass er nicht für den Konzern eingespannt werden wollte. Er war kein Versuchskaninchen; weder für Magerquark noch für Restaurants. Warum sollte er sie überhaupt begleiten? Weil sein Vater sich allein kein Urteil zutraute und seine Mutter schlecht die Qualität des Essens beurteilen konnte, wenn sie nur im Beilagensalat stocherte?
»Wie gesagt, ich habe Besuch«, zog Andreas sich aus der Affäre. Er würde Mandy am Montag eine gigantische Packung ihrer Lieblingspralinen mitbringen. Ihre Anwesenheit war ein Segen. »Ich habe Besuch« klang viel besser als »Ich will nicht«.
Für eine Sekunde machte Richard den Eindruck, als denke er daran, besagten Besuch ebenfalls einzuladen, aber nach einem Seitenblick zu seiner Frau ließ er es bleiben.
»Fein«, rieb er sich aufgesetzt geschäftig die Hände. »Dann ein anderes Mal. In der Deichstraße gibt es eine nette Crêperie. Vielleicht gehen wir dort einmal hin.«
»Bestimmt«, zwang Andreas sich zu sagen. Aber es fühlte sich
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