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Nach der Hölle links (German Edition)

Nach der Hölle links (German Edition)

Titel: Nach der Hölle links (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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darauf verzichtet, um keinen Unschuldigen zu erschlagen.
    Die Nacht war weit fortgeschritten und warf ihr dunkles Tuch über den Schreibtisch. Im abgeschiedenen Karree der Bücherregale fühlte Andreas sich wohl. Die linke Wohnzimmerhälfte wurde von Regalfluchten dominiert, die an eine Kreuzung aus Labyrinth und Bibliothek erinnerten. Das Zimmer war zu groß, um nur die Wände mit Büchern und DVDs zu füllen. Hinterher wäre eine Unmenge freier Raum verblieben, und Andreas mochte es gemütlich; nicht weit offen. Der Fensterausschnitt hinter dem Monitor war seine Lücke im Felsen, die Wände um ihn herum der Stein, der ihn schützte.
    Unwillkommene Gedanken schlichen ihm in den Kopf. Zögernd schwebte der Mauszeiger über dem Button, der ihn in einen schwulen Chatroom einloggen würde. Offiziell trieb er sich dort herum, um Gleichgesinnte zu treffen. Aber wenn er ehrlich zu sich war, suchte er nach jemandem, mit dem er ein paar heiße Visionen austauschen konnte.
    Das wäre besser als über seine Eltern und ihre Unart, ihm Geschenke zu bringen, die er nicht brauchte, nachzudenken. Außerdem quälte ihn Mandys eindrucksvolle Argumentation in Sachen Triton. Gegen seinen Willen versuchte Andreas sich vorzustellen, was es hieße, wenn der Kuvasz jetzt hier wäre. Vielleicht würde er hinter ihm auf einer Decke liegen und im Schlaf schnaufen und japsen. Von Zeit zu Zeit würde er aufstehen, laut gähnen und zu ihm kommen, um sich ein paar Streicheleinheiten abzuholen. Die Vorstellung war gefährlich schön.
    Umso schlimmer war es, dass hinter Triton und seinen Eltern ein weiteres Gespenst aus der Vergangenheit lauerte.
    Verschwinde!, befahl er dem Schattengeist und wusste doch, dass es sinnlos war, das Vergangene mit Gewalt vertreiben zu wollen. Es hatte ihn gezeichnet. Keine Tätowiernadel konnte deutlichere Spuren hinterlassen. Früher oder später würde er mit Köninger darüber reden müssen . Aber das hatte bestimmt noch ein Jahr – oder noch besser ein Jahrzehnt – Zeit.
    Lustlos klickte Andreas den Chat an, nur um das Fenster gleich wieder zu schließen. Stattdessen öffnete er einen Ordner auf dem Desktop, in dem sich Fotos tummelten, die er mit seinem Handy von Triton aufgenommen hatte. Man sah den Hund auf seiner Decke im Zwinger, auf der Wiese – den Kopf gesenkt, den Hintern hoch in der Luft – und auf den Hinterbeinen bei dem Versuch, über eine Mauer zu spähen. Triton, wie er sich im Gras wälzte, unter der Bank im Hof des Tierheims und beim …
    Das Schrillen der Türklingel ließ Andreas zusammenfahren. Fordernd gellte es ihm in den auf Nachtbetrieb eingestellten Ohren. Er verzog den Mund. Es war nicht das erste Mal, dass es am Wochenende nach Mitternacht bei ihm klingelte. Das Pärchen aus dem zweiten Stock feierte viel, sehr feucht und kämpfte hinterher oft mit der Haustür. Schon zwei Mal war es so weit gekommen, dass Andreas ihnen sogar die eigene Wohnungstür aufschließen musste, weil es mit dem Drücken des Summers nicht getan war.
    Idioten. Sie waren zu zweit. Warum schafften sie es nicht, dass zumindest einer von ihnen nüchtern genug blieb, um die Mysterien eines Türschlosses zu bewältigen?
    Andreas sprang auf und eilte zur Tür. Blindlinks drückte er auf den Summer und machte sich auf den Weg in die Küche. Vermutlich war es nicht in Ordnung, ohne Nachfrage jemanden ins Haus zu lassen. Aber meine Güte, der Flur war kameraüberwacht, die Wohnungstüren waren massiv. Was sollte schon passieren?
    Ein paar Sekunden später tauchte er in den Kühlschrank ein und suchte nach einem Mitternachtssnack. Seitdem er arbeitete und Tag für Tag an seine Grenzen gehen musste, hatte er ständig Hunger. Das schadete gar nicht, wie er fand. Früher hatte er viel trainiert und wenig gegessen, weil er kaum aus dem Haus kam und kein Fett ansetzen wollte. Heute konnte er seinen Nahrungsbedarf kaum decken. Und sich selbst zu versorgen, war großartig.
    »Vanillepudding, Trinkjoghurt oder Marmorkuchen?«, murmelte Andreas in sich hinein. »Oder alles zusammen?«
    Oder eine Tiefkühl-Lasagne, aufgepeppt mit zusätzlichem Käse und einer Tomate? Dazu ein bis vier Bier. Halt, war da noch eine Thunfischpizza? Oh ja, das war genau das Richtige für Samstagnacht.
    »Andreas!«
    Ein dumpfes Geräusch waberte durch die Küche, als ihm der Trinkjoghurt aus der Hand fiel. Der Deckel der Flasche löste sich und gab einen Strom rosafarbener Flüssigkeit frei. Andreas scherte sich nicht darum. Er lauschte gebannt,

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