Nach der Hölle links (German Edition)
Regalen macht. Die Küche ist geräumig, das Badezimmer hat eine Dusche und eine Wanne, wo du ihn abbrausen kannst, falls er wie ein Ferkel aussieht, und vor allen Dingen gehört die Bude dir. Kein Vermieter kann dir aufs Dach steigen. Das hier ist die ideale Wohnung für einen Hund wie Triton.«
»Die ideale Wohnung für einen Kuvasz gibt es nicht«, gab Andreas eine Spur bissiger als nötig zurück. »Ein Kuvasz gehört auf einen Bauernhof oder auf eine Alm. Überhaupt, hast du vergessen, dass ich im vierten Stock wohne?«
»Triton hat hervorragende Hüftgelenke«, schmetterte Mandy das Argument ab. »Hof hin, Alm her. Hier hat er mit Sicherheit mehr Platz als im Tierheim.«
Andreas schob die Schale mit den Krabben von sich und zog sich tiefer in die Ecke der runden Ledercouch zurück. Er hasste es, wenn man ihn an den Punkt brachte, an dem er die wahren Gründe für sein Verhalten offen legen musste. Es führte ihm seine Unzulänglichkeit vor Augen. Auch nach drei Jahren war es nicht leicht zu akzeptieren, ein psychisch kranker Mensch zu sein. Er bezweifelte, dass er sich je vollends daran gewöhnen würde.
»Du weißt genau, dass es um mehr als die Treppen geht«, gab er unwillig zu. »Was mache ich denn, wenn Triton krank ist und ich neben der Spur bin? Wer geht dann mit ihm zum Tierarzt? Oder was ist, wenn ich aus irgendwelchen Gründen einen Rückfall habe und es nicht schaffe, Futter zu kaufen oder mit ihm spazieren zu gehen?«
»Lösung Nummer 1: Wenn es wirklich nicht anders geht, lässt du ihn auf die Terrasse pinkeln. Du kannst ja ein paar Palmen aufstellen, damit er im Notfall dagegen strullern kann. Ist vielleicht nicht nett, aber immerhin eine Alternative. Ich glaube eh nicht, dass dir das passieren wird. Du liebst das Riesenvieh doch jetzt schon. Ich wette, du würdest dich immer überwinden, ihn kurz das Bein heben zu lassen«, begann Mandy und hielt einen Finger in die Luft. Eine ihrer berüchtigten Dreipunkteargumentationen drohte. »Lösung Nummer 2: Bestelle das Futter rechtzeitig online. Damit bist du auf der sicheren Seite. Falls es doch einen Engpass gibt, gibt es genug Supermärkte, die gegen Aufpreis liefern. Leisten kannst du dir es ja, Herr Großunternehmersohn. Lösung Nummer 3: Glaubst du, ich lasse dich sitzen, wenn Triton ein Problem hat und du es nicht zum Tierarzt schaffst? Oder Dr. Toczek? Sprich dich mit ihr ab. Sie würde jederzeit herkommen, falls Triton sie braucht. Wir lassen dich schon nicht mit ihm hängen, falls es eng wird.«
Überfahren sackte Andreas in sich zusammen. Nicht nur, weil Mandy ihn zum wiederholten Male eine Standpauke wegen Triton hielt, sondern auch, weil sie in Sachen Hilfe und Unterstützung freigiebig wie kein anderer Mensch war. Gut, kein anderer Mensch, den Andreas kannte – und dieser Rahmen war bekanntlich eng. Dennoch rührte ihn ihre Hilfsbereitschaft jedes Mal aufs Neue. Von der selbstverständlichen Art, mit der sie seiner Krankheit begegnete, ganz zu schweigen. Nie sagte sie: »Stell dich nicht so an.« Immer nur: »Es findet sich eine Lösung.«
Manchmal war ihm danach, sie zu umarmen. Er ließ sich selten darauf ein, nur zum Abschied. In der Sicherheit seines Wohnzimmers würde er sie vermutlich nicht so schnell wieder loslassen. Deswegen ließ er es bleiben.
Der melodische Singsang der Klingel rettete Andreas vor einer Antwort – oder vor urplötzlichen Zärtlichkeitsausbrüchen seinerseits.
»Moment«, murmelte er und machte sich auf den Weg zur Wohnungstür. Noch bevor er dort ankam, schellte es zum zweiten Mal. Als er den Summer betätigte, quäkte ihm die Stimme der Paketbotin entgegen, die ihn bat, ein Päckchen für die Nachbarin anzunehmen. Es war ihm recht, dass sie eine kleine Ewigkeit brauchte, um sich in den vierten Stock zu quälen. So hatte er Zeit, um sich zu sammeln und zu überlegen, wie er Mandy von ihrer Schnapsidee abbringen konnte.
Im Grunde seines Herzens hätte Andreas Triton gern zu sich genommen. Es wäre bestimmt schön, ihn abends bei sich im Schlafzimmer zu haben und von ihm begrüßt zu werden, wenn er nach Hause kam. Nur traute Andreas sich nicht. Der vergangene Freitag und sein Absturz hatten bewiesen, dass er nicht belastbar war.
»Hier unterschreiben bitte«, japste die Postfrau, nachdem sie ihm das Paket in den Arm gedrückt hatte.
Flink kritzelte Andreas seine Unterschrift auf das Display und nahm sich vor, am Abend nach unten zu gehen und die Lieferung abzugeben. Schließlich sollte er stets den
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