Nach Hause schwimmen
wolle er es mit Kurzgeschichten versuchen.
Die Nachtschicht ist nicht übel. Die meiste Zeit habe ich Ruhe vor den alten Knackern, die sich in ihren Zimmern in einem unruhigen Schlaf wälzen. Mazursky, Alfred und Enrique sitzen zwar jede Nacht bis drei, vier Uhr morgens in der Lobby, trinken schlechten Wein, quatschen dummes Zeug, spielen Karten oder Domino oder irgendetwas anderes, das Zeit totschlägt, aber sie nerven mich nicht mehr. Spencer geht wie jeden Abend um halb elf nach oben in sein Zimmer, nachdem er eine Weile schweigend auf dem Sofa gesessen hat. Dobbs besucht mich jeweils gegen neun und bringt Tee mit, manchmal Kekse. Dann sitzen wir am Computer aus Winstons Beständen und surfen im Internet. Dobbs ist völlig fasziniert von unseren nächtlichen Ausflügen ins Cyberspace. Wir verbringen Stunden vor dem Bildschirm und geben aufs Geratewohl Stichwörter in die Suchmaschine ein. Dann betrachten wir andächtig Aufnahmen von gesprengten Hochhäusern, Beinprothesen aus China, Termitenbauten, Mondgesteinsproben, Verkehrsunfällen mit Nashörnern, von fliegenden Fertighäusern und tätowierten Männern, die uns traurig ansehen.
Manchmal hat Dobbs eine Zeitung oder ein Buch dabei, und wir tippen blind mit einem Kugelschreiber auf ein Wort, das wir dann eingeben. Halloween. Domestizieren. Sprengstoffgürtel. Seerosen. Beziehungsunfähigkeit. Es gibt kurze Filme, die wir uns ansehen. Ein Baum wird maschinell in wenigen Sekunden gefällt, von den Ästenbefreit, geschält und in gleich lange Stücke zerlegt. Nackte Menschen, die durch Schnee rennen und in ein ins Eis geschlagenes Loch springen. Eine schwarze Katze, die in ein Aquarium fällt, immer wieder, weil Dobbs endlich mal lacht. Eine Weltumrundung mit dem Satelliten. Die zehn schönsten Touchdowns.
Wir geben Wörter ein, die wir uns ausdenken, oder wir schließen beim Tippen die Augen. Wir versuchen es mit Phantasiewebseiten und folgen abgründigen Links, wir landen in Asien und Russland, bei harmlosen Spinnern und Verrückten und Leuten, um die man sich wirklich Sorgen machen muss. Wir lesen Auszüge aus dem Tagebuch eines chilenischen Opernsängers, staunen beim Anblick von Bisswunden australischer Haie und lernen eine Bildhauerin aus Nevada kennen, die Türme aus Lehmziegeln baut, von denen sie springt, bis sie sich ein Bein bricht. Nach der Heilung legt sie den Gips in den Turm und verschließt ihn. Man kann ihre Werke nicht kaufen, nur mieten. Ich müsste zweieinhalb Jahre hier arbeiten, um einen ihrer Türme einen Monat lang zu mieten.
Als Dobbs auf seinem Zimmer ist, gebe ich bei Google Aimee Ward ein. Drei Treffer. Eine wohnt in Utah, eine in England, die dritte in Wyoming. Eine ist Sportlerin, die andere Bürgermeisterin eines winzigen Kaffs, die in Utah schreibt medizinische Artikel für Fachzeitschriften. Ich gehe auf eine Seite mit Stadtplänen der Bronx und streife durch die Straßen, suche die U-Bahn-Station, an der wir ausgestiegen sind, finde sie aber nicht, gehe hoch zur Fordham Road und zur Kingsbridge Road, runter zur Burnside Avenue, dann rüber zur Tremont Avenue. Der große grüne Fleck ist der Botanische Garten. Auf der Website sehe ich den Kuppelbau aus Glas und die Gewächshäuser, Bäume und Seen und einen Fluss, alles mitten in der Bronx. Ich betrachte Bambussträucher und versuche mich an den Namen einer Bar zu erinnern, an der wir vorbeigegangen sind. Auf der Website des Zoos suche ich nach den Mitarbeitern, aber die Tierpfleger sind nicht aufgeführt. Über Stewart hätte ich Aimee gefunden. Ich könnte in den Zoo gehen und nach ihm fragen. Vielleicht hätte ich Glück und würde ihn dabei erwischen, wie er Zebrakacke in eine Schubkarre lädt. Natürlich könnte ich in der Stadt der Selbstmörder anrufen, bestimmt haben die noch ihre Adresse oder Telefonnummer.
Susan und Kate Caldwell Institut für Humanforschung, eintausendzweihundertelf Einträge. Selbstmord, einhundertzwanzig Millionen Treffer. Ich klicke wahllos ein paar Seiten an, stoße auf Selbsthilfegruppen und Polizeiberichte, auf Hemingway und Sylvia Plath und einen kalifornischen Professor, der sich die Mühe gemacht hat, Selbstmordarten nach Erfolgswahrscheinlichkeit, Sterbezeit und Schmerzfaktor aufzulisten. Sich in die Luft zu jagen ist Donald I. Templers Meinung nach am effizientesten. Auf seiner Schmerzskala, die von eins bis hundert reicht, steht bei Sprengstoff eine Vier. Die Chancen, dabei auch wirklich umzukommen, sind mit sechsundneunzig Prozent sehr
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