Nach Hause schwimmen
ein wirkliches Lächeln. Es schien, als wolle sie noch etwas sagen, doch dann ging sie ins Haus, schloss die Verandatür und zog den Vorhang zu. Wilbur sah zum Fenster hoch, hinter dem sein früheres Zimmer lag. Jetzt erst bemerkte er das Fehlen der Satellitenschüssel. Er fragte sich, was Pauline Conway wohl die ganze Zeit alleine machte, aber dann fiel ihm ein, dass sie ja noch Gott hatte.
Er ging zurück zur Straße, legte die Blechdose zum Koffer auf den Rücksitz, setzte sich neben Alice und bat sie, die kurze Strecke bis zu Matthew Fitzgeralds Haus zu fahren. Es wurde dunkel, aber Alice hatte es nicht eilig und stellte keine Fragen. Wilbur wusste, dass Matthew nicht mehr hier wohnte. Über einen gemähten Rasen ging er zum Holzschuppen, der aussah, als hätte ihn jemand instand gestellt, und als er sich dem Haus näherte, bemerkte er die gelb gestrichene Fassade und die neuen Fensterläden. Eine Frau mit einem Kind auf dem Arm kam zur Hintertür heraus. Der kleine Junge aß eine Scheibe Brot und sah Wilbur regungslos an. Wilbur fragte die Frau, ob sie wisse, wo Matthew Fitzgerald sei, und sie sagte, er sei nach dem Verkauf des Hauses zurück nach England gegangen. Wilbur bedankte sich und verließ das Grundstück auf demselben Weg, auf dem er es betreten hatte. Er kletterte über die Steinmauer hinter dem Schuppen und ging zu dem Auto, in dem die Frau saß, die ihn in ein anderes Land bringen würde, in ein anderes Leben.
Sie übernachteten in einem Hotel in Letterkenny. Bis zum frühen Morgen lag Wilbur wach in seinem Zimmer auf dem Bett und versuchte seine Gedanken zu ordnen. Beim Frühstück, von dem er keinen Bissenherunterbekam, dachte er daran, Alice zu fragen, ob sie zum Friedhof fahren und Orlas und Colms Gräber besuchen könnten, ließ es dann aber bleiben. Er spürte den Indianer und das Pferd in der Hosentasche, aber es half nicht viel. Er sah aus dem Fenster auf die leere Straße und in den Himmel, über den Wolken glitten, grau gefleckt wie ein riesiger Taubenschwarm.
Im Regen fuhren sie nach Shannon und saßen am Abend in einem Flugzeug nach New York.
11
Es ist sieben Stunden und fünfzehn Tage her, seit ich Aimee das letzte Mal gesehen habe, genau wie in dem Lied von Sinéad O’Connor, das ich in Orlas Küche gehört habe, als ich zehn war. Sie ist nicht runtergekommen. Eine Weile bin ich noch im Regen herumgestanden und dann zurück ins Hotel gefahren. Sie ist wütend auf mich gewesen an jenem Tag, und als sie mich da unten stehen sah, durchnässt und lächerlich, hat sie vermutlich gedacht, dass es das Beste sei, mich abzuhaken. Vielleicht hat auch der gute alte Stew nachgeholfen, hat sich hinter sie gestellt, für mich unsichtbar, und ihr etwas zugeflüstert. Stewart, der Löwenbändiger, der Aimee Aim nennt und nur eine Tür öffnen muss, um bei ihr zu sein.
Ich habe Aimee nie nach ihrer Telefonnummer gefragt, ihre Adresse habe ich mir nicht gemerkt. Wenn ich in die Bronx fahren würde, um das Haus zu suchen, fände ich es vermutlich, irgendwie, irgendwann. Im Telefonbuch steht sie nicht, auch die Auskunft hatte nur eine Aimee Ward zu bieten, aber die schreibt sich Amy, ist Friseuse und wohnt in New Jersey.
Wo ich bin, weiß sie. Wenn sie mich sehen will, wird sie herkommen. Aber diese Hoffnung habe ich aufgegeben, schon vor Tagen. Ich bin nicht gerade der Typ, der einer Frau nicht mehr aus dem Kopf geht. Wahrscheinlich ist sie froh, mich los zu sein, ohne Geschrei und Tränen, wie ich es aus Filmen kenne.
Gut möglich, dass ich hier noch sitze, wenn ich so alt bin wie die Männer, die sich dieses Hotel als Ort zum Sterben ausgesucht haben.Leonidas ist vorgestern für einen Monat nach Kreta geflogen, wo er mit dreihundert Verwandten den Tod seines Lieblingsonkels betrauert. Heute Morgen kam eine E-Mail von ihm. Seine Mutter habe sich weinend auf den Boden geworfen, als er ihr Haus betrat. Ob aus Freude, ihren Sohn zu sehen, oder aus Kummer über den Tod ihres Bruders, wisse er nicht. Sein Onkel, ein ehemaliger Arzt, sei irgendwie einbalsamiert und in der dekorierten Garage seines Hauses aufgebahrt worden. Hinter der Leiche im Sonntagsanzug hänge ein altes Blechschild, das für Mobi-Motorenöl werbe, und in einer Ecke stehe das Rennrad, mit dem der Verstorbene jedes Wochenende herumgefahren sei. Leonidas wolle eine Story über all das schreiben. Von Theaterstücken, auch Komödien, habe er vorerst die Schnauze voll. Kein Schwein interessiere sich dafür, lässt er mich wissen. Jetzt
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