Nach Hause schwimmen
Als ein Raumschiff einen Meteoriten mit irgendeinem Strahl pulverisiert, lehnt Spencer sich zu mir herüber und sagt, genau das wolle der Arzt mit seiner Prostata tun, aber er lasse es nicht zu.
Später essen wir eine Suppe in einem Imbisslokal, das ein junger Iraner führt und das aussieht wie ein Verkaufsraum für Restposten von Polstermöbeln und Beistelltischen. Spencer versinkt in seinem Ohrensessel und erzählt mir von Pevensey in England, wo er aufgewachsen ist, von seinem Pferd, dessen Name ihm zu seiner großen Verlegenheit nicht mehr einfallen will, von seinen Eltern, seiner Schwester Zelda, vom Krieg und vom Weggehen und vom Ankommen in einem Land, das ihm bis heute fremd geblieben ist. Seine Stimme ist leise, und ich beuge mich zu ihm vor und warte mit dem Kauen, bis er eine Pause macht und einen Löffel Hühnersuppe isst.
Auf dem Weg zum Hotel holt er in einer Apotheke seine Medikamente. Die Packungen mit den Pillen und Kapseln füllen die ganze Einkaufstüte, die er aus dem Jackett zaubert wie zuvor das aufblasbare Kissen.
»Die hier sind gegen die Schlaflosigkeit«, sagt er zu mir, »die gegen die Schmerzen, die gegen die schlimmen Schmerzen.«
»Und die hier?« frage ich und lege eine Packung in die Tüte.
»Habe ich vergessen«, sagt Spencer. »Vermutlich gegen das Sterben.«
Offenbar sehe ich ihn mit einer Mischung aus Bestürzung und Verlegenheit an, denn er lächelt, stopft die letzte Packung in die Tüte und schiebt mich aus dem Laden.
»Kommen Sie, Wilbur, das ist kein Ort für einen gesunden jungen Mann.«
Wir treten auf die Straße, und Spencer hakt sich bei mir ein. Imwogenden Fluss der Menschheit sind wir zwei Steine, die langsam am Grund entlangkollern, Millionen von Jahren alt.
Nachts sitze ich am Empfang und lese. Das Hotel ist zwar nicht voll belegt, aber es kommt nur sehr selten vor, dass nach acht Uhr abends jemand ein Zimmer will. Wir vermieten nur an Männer, das steht groß auf einem Schild an der Fassade. Als Randolph mal seine gesprächigen fünf Minuten hatte, erzählte er mir, dass diese Einschränkung bis vor ein paar Jahren nicht gegolten hatte. Aber Frauen, vertraute Randolph mir an, seien die Wurzel allen Übels, und Frauen und Männer unter einem Dach die Garantie für Chaos, Zerstörung und das Ende der Zivilisation. Ich hörte mir Geschichten an von Ehebruch und Prügeleien, von nackten Typen auf Feuerleitern und Polizisten, denen hysterische Furien das Gesicht zerkratzten. »Keine Frauen in diesem Laden«, hatte Randolph mir eingeschärft. »Madame Robespierre und deine Kleine sind Ausnahmen.«
Meine Kleine. Nicht mal ein Bild habe ich von ihr.
Mit Leonidas habe ich mal darüber gesprochen, ein Drehbuch zu schreiben. Er findet Hollywood zum Kotzen und würde nie für dieses, wie er sagt, kulturlose und geldgeile Inzuchtpack arbeiten. Aber Leonidas findet auch Shakespeare zum Kotzen, weil dessen Stücke so oft gespielt werden. Im Kino liefen heute die Trailer zu drei Filmen, zwei davon waren Action-Streifen. Ich warte seit fünf Jahren auf den vierten Teil von Die Hard und hätte ein paar Ideen, wie er aussehen könnte. Als ich Leonidas davon erzählt habe, fand er meinen Plot gar nicht so übel, auch wenn ihm die Handlung zu wenig dramatisch war. Das Leid der Hauptfigur, John McClane, müsse noch stärker spürbar sein, der Held müsse am Rand der Vernichtung stehen, um aus der Asche aufsteigen und erstrahlen zu können. Ich tat so, als würde ich mir den Rat zu Herzen nehmen, und bedankte mich für die Bücher zum Thema griechische Tragödie, die er mir lieh. In seiner Mail von gestern meinte er, falls ich das Ding noch immer schreiben wolle, solle ich mehr Heiterkeit reinpacken. Leonidas arbeitet gerade an einer witzigen Kurzgeschichte über seine Reise nach Kreta, danach will er seinen Job im Hotel der alten Männer humoristischverwerten. Wenn ich morgen von ihm erfahren würde, er wolle Haikus oder Kinderbücher verfassen, wäre ich nicht überrascht.
Einen Titel hat mein Drehbuch auch schon, Die Hard 4 – No Return . Bruce Willis, also John McClane, wird darin sterben. Ich finde, vier Teile sind genug, und Helden, die im Einsatz statt an Altersschwäche oder verdorbenem Essen sterben, halten sich am längsten, siehe Jesse James, John F. Kennedy, Jesus. Der größte Teil der Geschichte spielt in einem Schloss in Schottland, wohin McClane, seine Frau Holly und seine beiden Kinder Lucy und John Jr. eingeladen worden sind. Spendiert hat die Reise
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