Nach Hause schwimmen
war nüchtern, als sie Truman anrief und ihn bat, das Schuppendach abzudichten. Sie legte sich mit ihm auf den Stapel aus Teppichen, die feucht waren vom Regen, der durch die lockeren Ziegel drang. Truman, überrascht und verschreckt, kam keuchend in ihrer Hand, lag dann schwer auf ihr, fuhr mit Händen und Lippen über ihren bekleideten Körper und stammelte Unsinn. Sie schob ihn weg und stand auf, und er beteuerte und versprach und verlangte, aber sie wischte die Hände an einem Teppich ab und sagte, er solle sich um das Dach kümmern. Erpackte sie am Arm, und sie musste ihn nur ansehen, damit er sie losließ. Als er sagte, es tue ihm leid, hörte sie ihm schon nicht mehr zu und ging durch den feinen Regen ins Haus. Truman fuhr weg, ohne das Dach repariert zu haben, und ließ sich nicht mehr blicken.
In einer sternenlosen Februarnacht überfielen zwei siebzehnjährige Burschen die Tankstelle. Sie erbeuteten einhundertacht Dollar und flüchteten in einem Wagen, den sie kurz zuvor in Whitestone gestohlen hatten. Der eine hatte Alice mit einer Pistole bedroht und sich Schokolade in die Taschen gestopft, während der andere das Geld aus der Kasse nahm. Alice hatte geweint, obwohl der Junge mit der Waffe ihr immer wieder sagte, sie brauche keine Angst zu haben. Die Polizei verfolgte den weißen Chevrolet, der bei Oakdale von der Straße abkam und sich überschlug. Der Junge mit der Pistole wurde aus dem Auto geschleudert und starb, der Fahrer kam mit ein paar Kratzern davon. Alice hatte einen Nervenzusammenbruch, und Texaco gewährte ihr einen Monat bezahlten Urlaub. Danach ging sie nicht mehr zurück und fuhr zum Tanken einen längeren Weg, nur um das Gebäude nicht mehr sehen zu müssen.
Im Sommer wurde sie alle ihre Bilder los, aber sie hatte keine Lust, noch mehr davon zu malen. Sie trank und wurde nicht mehr richtig betrunken, und selbst an sonnigen Tagen blieb sie im Haus, lag auf dem Boden und sah an die weiße, leere Decke, während Chet Baker sie zu Tränen rührte. So wurde sie von ihrem Bruder gefunden, dessen angekündigten Besuch sie vergessen hatte. Harold, der Rauchen und Trinken verabscheute, packte sie in seinen Mietwagen und fuhr sie nach Manhattan, wo er sie in die Obhut einer privaten Suchtklinik gab. Er blieb vierzehn Tage, neun mehr als geplant, besuchte am Morgen die Museen und Galerien der Stadt und am Nachmittag seine Schwester, die viel weinte und versprach, ihr teures Zimmer mit Aussicht auf den Hudson bald zu verlassen und ein normales Leben zu führen. Harold beruhigte ihr schlechtes Gewissen, redete mit den Ärzten und flog dann nach Tokio, weil die Vorbereitungen für eine Pollock-Ausstellung keinen Aufschub mehr duldeten.
Alice redete mit anderen Frauen über ihre Trunksucht, sprach mit Ärzten und Psychologen über ihre Ehe und Lawrence und dessen Frauund Zwillinge, die sie nie gesehen hatte und nie sehen wollte, und gab Harold telefonisch jeden zweiten Abend darüber Auskunft, wie viel besser sie sich fühlte und wie schwach das Verlangen, Alkohol zu trinken, geworden war.
Als sie nach vierunddreißig Tagen das Gefühl des umsorgten Eingesperrtseins, die deprimierenden, im Kreis verlaufenden Gespräche, die adretten Uniformen und einheitlichen Kurzhaarfrisuren der Betreuerinnen, die pastellfarbenen Möbel, die künstlich gesüßten Kräutergetränke, die Lymphdrüsenmassagen und die monotonen Rundgänge auf der mit einem drei Meter hohen Zaun umgebenen Dachterrasse nicht mehr ertrug, überzeugte sie ihren Arzt und Harold davon, gesund genug für die Freiheit zu sein, und fuhr zurück nach Sayville.
Sie wollte wieder malen, wusste aber nicht, was. Den Strand hatte sie so oft gemalt und ihre eigenen Bilder so endlos kopiert, dass sie nicht mehr in den Himmel blicken konnte, ohne Pinselstriche und Farbmischungen darin zu sehen. Als sie damals den jungen Sozialarbeiter Lawrence Krugshank kennengelernt hatte, war sie im dritten Jahr an der Universität, wo sie Kunstgeschichte und Pädagogik studierte. Sie wollte Lehrerin werden oder Kulturjournalistin, vielleicht Kuratorin wie ihr Bruder, der damals gerade seine erste Ausstellung in Atlanta leitete. Sie kannte die Biografien von Rembrandt und Caravaggio, von van Gogh und Monet, sie hatte alle Bilder von Gustav Klimt gesehen und die meisten von allen anderen bedeutenden Malern, sie hatte Aufsätze zu ihren Werken geschrieben und bereitete sich darauf vor, dieses Wissen in irgendeiner Form anzuwenden. Doch dann heiratete sie
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