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Nach Hause schwimmen

Titel: Nach Hause schwimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Alfred, dem der Part des Übermittlers schlechter Neuigkeiten auf den Leib geschneidert ist, »der Besitzer des Hotels ... wie heißt er noch gleich?«
    »Greenwood«, sagt Dobbs.
    »Greenberg«, sagt Harvey.
    »Wie auch immer, jedenfalls hat er beschlossen, das Hotel nur noch für Männer zugänglich zu machen, die das fünfzigste Lebensjahr überschritten haben.«
    »Was?«
    »Ein Hotel für reife Herren.«
    »Hotel für reife Herren?« rufe ich, und meine Stimme kippt ein wenig.
    »Nun ja, Absteige für alte Säcke trifft es wohl eher.« Harvey lacht, und Alfred und Dobbs stimmen mit ein, hören aber auf, als sie sehen, dass ich das alles überhaupt nicht witzig finde.
    Eine Weile sitzen wir schweigend da. Ich versuche die Wut auf Randolph aufzukochen, um sie über das Trio auszuschütten, aber es gelingt mir nicht. Ich bin eine Figur in einem abgekarteten Spiel, ich erkenne einen Zaunpfahl, wenn man damit vor meinem Gesicht winkt. Von hier verschwinden soll ich, schon kapiert. Die drei Heinis glotzen mich an, Dobbs scharrt mit dem Fuß. Ich würde ihnen gerne sagen, dass sie mir tierisch auf die Nerven gehen, und sie dann mit Arschtritten aus dem Zimmer befördern.
    Stattdessen sage ich: »Wir wollten doch noch den Boden in deinem Zimmer machen, Al.«
    » Du wolltest den Boden in meinem Zimmer machen«, sagt Alfred. »Ich mag den Teppich.«
    »Der Teppich ist versifft«, sage ich. Ich höre mich überdeutlich, mein Ton ist trotzig.
    »Ich habe ihn schaumgereinigt.«
    »Ich dachte, du ziehst bald aus.«
    »Wohl eher nicht. Iris und ich ... na ja.« Alfred presst mit einem Geräusch Luft durch die Lippen. Dobbs und Harvey tätscheln synchron seine Knie.
    Ich nicke mit hängendem Kopf. Im dunklen, glänzenden Holz kann ich mein Gesicht erkennen. Ich hasse die dumpfe, dumme, ewig gleiche Traurigkeit darin.
     
    Am Nachmittag stehe ich mit meinem Koffer und einem Seesack, den ich bei Winston gekauft habe, vor Alices Haus. Es kommt mir vor, als läge ein ganzes Leben zwischen dem Tag, an dem ich die Wohnung verlassen habe, und heute. Irgendwie stimmt das ja auch. Ich setze mich neben dem Eingang auf den Seesack und warte. Leute gehen vorbei, zwei Kinder in Superheldenkostümen rennen zwischen ihnen hindurch. Miss Talbott, die auf derselben Etage wie Alice wohnt, tritt mit einem altertümlichen Radiogerät im Arm aus dem Haus und sieht in den graublauen Himmel. Ihre silbernen Haare stecken unter einer Plastikhaube, an den Füßen trägt sie winzige rosa Gummistiefel. Ein Seufzer entfährt ihrem blutrot geschminkten Mund, als sei sie enttäuscht, dass es nicht regnet. Sie wirft einen kurzen Blick auf mich, scheint mich nicht zu erkennen und geht über die Straße. Das Kabel, das aus dem Radio hängt, berührt beinahe den Boden.
    Es ist Abend, als Alice, beladen mit einer Papiertüte vom Supermarkt, im langsamen Strom der Passanten auftaucht. Sie sieht mich und bleibt stehen, dann rennt sie auf mich zu. Ich erhebe mich, und sie lässt die Papiertüte mehr oder weniger fallen, und wir umarmen uns. Nach einer Weile sieht sie mich an, in ihren Augen liegen Bestürzung und Freude, ihre Hände halten meinen Kopf und streichen durch meine Haare, die viel zu lang geworden sind. Gleich weint sie, aber dann steht plötzlich Batman neben uns und hält eine Apfelsine in der ausgestreckten Hand.
    Alice braucht einen Moment, bis sie begreift, dann sagt sie: »Möchtest du sie behalten?«
    Der kleine Junge schüttelt den Kopf, drückt ihr die Frucht in die Hand und rennt mit flatterndem Umhang davon, verschwindet zwischen den Leuten. Ich helfe Alice beim Aufsammeln der übrigen Apfelsinen, nehme mein Gepäck und folge ihr ins Haus.
     
    Am nächsten Morgen fahren wir in die Bronx. Alice hat gestern Abend mit Nathalie Kerkowski telefoniert und unseren Besuch angekündigt. Im Taxi hält sie meine Hand und versucht erst gar nicht, mit mir zu reden. Ich bin so nervös, dass mir schlecht ist, mein leerer Magen schaukelt im Rhythmus des Verkehrs. Es ist der erste sonnige Tag des Jahres,jedenfalls der erste, den ich wahrnehme. Licht füllt den Wagen aus, ein trüber weißer Dunst, der warm auf der Haut liegt. Die halbe Nacht lang haben wir geredet, danach konnte ich kaum schlafen.
    Alice bestand darauf, dass ich meine Geschichte zuerst erzähle, und ich fing mit dem Hotel der alten Männer an, dem Ausgangs- und Schlusspunkt meiner Reise im Kreis. Dazwischen lag ein wirrer, vermutlich lückenhafter Bericht von Abstürzen und Umnachtung, vom

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