Nach Hause schwimmen
sehe ich Randolph ins Gesicht. »Hab ich doch gesagt! Ich will die Säulen abbeizen!«
»Und ich habe gesagt, mir gefallen sie, wie sie sind«, sagt Randolph ruhig.
»Aber unter dieser hässlichen Farbe liegt schönes Holz verborgen!« »Meinetwegen kann darunter Marmor liegen. Die Säulen bleiben so.«
Eine Weile starre ich Randolph an. Ich merke, wie mein ganzer Kopf rot und warm wird vor Wut, vielleicht sogar anschwillt. In Randolphs Gesicht rührt sich kein Muskel, es ist ein stiller See, in den man einenStein werfen möchte. In meinem Hirn blitzen Beschimpfungen auf, aber Fassungslosigkeit und plötzlicher grenzenloser Hass auf Randolph verhindern, dass ich den Mund öffne. Ich drehe mich um und gehe zur Treppe. Hinter mir ertönt ein loses Stück Musik, dann erfüllt das monotone Murmeln eines Börsengurus die Halle.
Zwei Stunden später klopft es an meine Tür. Ich liege auf dem Bett und lese eine Kurzgeschichte von Tschechow, aber ich kann mich nicht konzentrieren, brauche eine Ewigkeit für eine Seite und habe beim Umblättern schon wieder alles vergessen. Alfred und Harvey stehen auf dem Flur, hinter ihnen sehe ich Dobbs.
»Können wir mit dir reden?« fragt Alfred, und er klingt, als habe er eine neue Rolle einstudiert, die des ernsthaften Unterhändlers, des taktvollen Überbringers gewichtiger Nachrichten.
»Sicher.« Ich mache einen Schritt zur Seite, und die drei treten ein. Dobbs lächelt und senkt den Blick, ein kleiner Junge beim Besuch im Büro des Schuldirektors. Ich werfe die Tagesdecke über das Bett und setze mich auf den Stuhl. Dobbs und Harvey nehmen auf dem Bett Platz.
»Also, Will«, sagt Alfred, »es ist so ...« Er wirft einen raschen Blick auf seine Freunde, bevor er weiterredet. »Wir sind ja nun nicht mehr die Allerjüngsten, und was die Gesundheit betrifft, so haben wir doch mit den verschiedenen Auswirkungen des Zerfalls zu kämpfen.« Er macht eine Pause und sieht mich an, als erwarte er meinen Einspruch. Aber ich bin nicht in der Stimmung für geistreiche Bemerkungen und schweige. Außerdem bin ich gespannt, worauf Alfred mit seiner geschwollenen Ansprache hinauswill. Alfred räuspert sich und faltet die Hände. »Unsere Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt sind, sagen wir es mal so, recht limitiert.«
Harvey nickt und murmelt etwas. Dobbs zupft Fusseln von seiner Hose.
»Aus diesen Gründen haben wir gestern mit Randolph gesprochen. Und sind uns einig geworden.« Alfred verstummt wieder.
»Ach ja?« sage ich. »Und worüber?« Ich sehe Dobbs so lange an, bis er meinen Blick erwidert.
»Über die Arbeiten«, sagt Dobbs leise, »hier im Hotel.«
»Randolph gibt uns die Zimmer billiger, wenn wir ein paar Jobs übernehmen.« Harvey erhebt sich, und Dobbs beeilt sich, ebenfalls aufzustehen.
»Redet ihr von meinen Jobs?« Ich bleibe sitzen. Sollen sich die drei ruhig bedrohlich fühlen, aufdringlich und unverschämt.
»Sieh mal, Will, die Nachtschicht und das alles, das ist doch sowieso zu viel für einen allein.« Jetzt markiert Alfred den netten Onkel, der es gut meint mit seinem Neffen. »Du kannst nicht vierundzwanzig Stunden in diesem Kasten hocken. Das ist ungesund.«
»Genau!« sagt Harvey. »Du bist jung! Hier drin verschwendest du deine Begabung!«
»Mit deiner Intelligenz stehen dir alle Türen offen«, sagt Dobbs.
»Türen? Begabung? Wovon zum Teufel redet ihr?« Ich würde gerne aufstehen, aber bleierne Müdigkeit hat meinen Körper befallen. Außerdem wäre ich dann noch immer ein paar Zentimeter kleiner als Dobbs, der Kleinste der drei.
»Wir haben ein paar Seiten aus deinem Buch gelesen, die du weggeworfen hast«, sagt Alfred und tut, als sei er wegen dieser Indiskretion ein wenig zerknirscht.
»Sie lagen im Abfalleimer«, sagt Dobbs.
»Jedenfalls bist du hochtalentiert, Will!« Alfred zeigt mit dem Finger auf mich. »Du musst raus ins Leben!« Er deutet zur Tür, als läge dahinter eine vor Möglichkeiten berstende Welt.
Harvey nickt. »In diesem Loch zu vergammeln ist eine Sünde!«
Eine Zeitlang betrachte ich den polierten Boden. Alfred, Harvey und Dobbs setzen sich wieder auf das Bett.
»Du findest bestimmt problemlos einen Job«, sagt Alfred. »Und eine neue Bleibe«, sagt Harvey.
Ich sehe die drei an. »Warum sollte ich mir eine neue Bleibe suchen?« Dobbs senkt den Blick. Harvey sieht Alfred an, der sich räuspert. »Hat Randolph es dir noch nicht gesagt?«
Ich schüttle den Kopf. »Nein, hat er nicht.«
»Nun ja, es ist so«, sagt
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