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Nach Hause schwimmen

Titel: Nach Hause schwimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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skrupelloser Neugier verfolgten. Obwohl er in seinem Buch keinen Klatsch aus zweiter und dritter Hand verwendete und sich auf die Karriere und Filme des Schauspielers konzentrierte, half ihm das Lesen dieser gesammelten Indiskretionen, die Verbindung zum Objekt seiner zwischenzeitlich abgekühlten Leidenschaft nicht zu verlieren.
    In einem Ramschladen, der sich starrköpfig Freeman Antiquitäten nannte und dessen schwarzer Besitzer, Winston Freeman, den größten Teil des Tages damit verbrachte, auf einem Klappstuhl vor seinem Geschäft zu sitzen und für Passanten das Wetter vorauszusagen, kaufte Wilbur eine gebrauchte Reiseschreibmaschine, um die mittlerweile vierhundertfünfzig handgeschriebenen Seiten abzutippen. Weil er das im Restaurant nicht tun konnte und ihm sein winziges, schlecht geheiztes Zimmer nach einer Stunde zur finsteren, jeden Gedanken vernichtendenZelle wurde, fragte er den Portier nach einem Ort im Hotel, wo es sich in Ruhe arbeiten ließe.
    Randolph Byrd, gelernter Buchhalter und nach gescheiterten Ausflügen in die Gastronomie und Bekleidungsbranche auf dem Posten des stellvertretenden Geschäftsführers und Portiers des Hotels gelandet, erlaubte Wilbur, den Heizungsraum im Keller zu benutzen. Randolphs einzige Bedingung war, dass Wilbur nicht nur seine zukünftige Arbeitsstätte, sondern gleich den ganzen Keller aufräumte, eine Arbeit, die Wilbur fünf Tage kostete und in deren Verlauf er, neben viel Staub und Dreck, ein Dutzend von Holzwürmern zerfressene Bettgestelle, halb so viele Kommoden, vier museumsreife Waschmaschinen, drei Trockner und die Skelette zahlloser Ratten und zweier Tiere, die er für Katzen hielt, entsorgte.
    Im unwahrscheinlichen Fall, dass jemand Wilbur suchte, fand man ihn abends und an den Wochenenden im warmen Bauch des Hotelgebäudes, wo er, Schaumstoffstöpsel in den Ohren, an einer zum Schreibtisch umfunktionierten Werkbank saß und sein Opus magnum in die Tasten der Smith Corona hämmerte, eingehüllt in das gedämpfte Wummern und Zischen der Ölheizung und das Gurgeln der Wasserleitungen über seinem Kopf. Manchmal arbeitete er die halbe Nacht durch, wach gehalten von Kaffee und der aus einer unbenennbaren Quelle gespeisten Gewissheit, etwas zu erschaffen, das brillant und einzigartig war und sich zudem verkaufen ließ. Doch neben den Momenten vorweggenommener Triumphe gab es Nächte und ganze Wochenenden, an denen Wilbur sein Werk hasste. Je mehr The Life And Death Of Bruce Willis die Form eines Buches, zumindest aber die leidlich sauber getippte Ordnung und den Aufbau eines vorzeigbaren Typoskripts annahm, desto weniger Sinn sah er in dessen Fertigstellung. Er saß in seiner überheizten, gluckernden Katakombe und las das Kapitel über den Film Twelve Monkeys , das er vor einer Woche in einem flüchtigen Rausch der Eitelkeit noch als genial bezeichnet hatte, und kämpfte gegen den Drang, das Papierbündel in einem bereitstehenden Blecheimer zu verbrennen. Eine Woche später überflog er die Seiten, die sich Willis’ Rolle in Pulp Fiction widmeten, und konnte sie nur vor der blindwütigen Vernichtung retten, indem er sie auf der Werkbank liegen ließ und nach oben stürmte, hinaus auf dieStraße und in die eisig kalte Wirklichkeit, die ihn daran erinnerte, dass er für sein Zimmer bezahlen und essen musste und dass er schon zu viel Arbeit in das Buch investiert hatte, um es jetzt in einen Haufen Asche zu verwandeln.
    So schleppte er sich durch die Tage und Seiten, sah sich in der einen Woche als begnadeten Autor und in der nächsten als weltfremden Trottel, der seine Zeit verschwendete. Allen Zweifeln und Rückschlägen, Wutausbrüchen und Vernichtungsphantasien zum Trotz war das Buch am letzten Februartag fertig. Wilbur ließ die zweihundertachtzig Seiten, auf die er sein Werk gekürzt hatte, fotokopieren und in drei Exemplaren heften. Schon während der Recherchen und vor dem Schreiben der ersten Zeile hatte er drei auf Filmbücher spezialisierte Verlage ausgesucht, deren Interesse zu wecken er überzeugt war, doch als er die Pakete zur Post brachte, wusste er nicht, ob er seine Leistung bewundern oder sich für die Selbstgefälligkeit schämen sollte, zu der er sich im flammenden Begleitbrief hatte hinreißen lassen.
    Eine positive Begleiterscheinung des ungezügelten Schreibens war Wilburs völliger Verzicht auf Alkohol. Er hatte von Schriftstellern gelesen, die betrunken zur Höchstform aufliefen, aber bei ihm funktionierte das nicht. Die Seiten, die er

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