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Nach Hause schwimmen

Titel: Nach Hause schwimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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zeigt den Rumpf eines Killerwals mit offenem Maul, über dem eine fette Robbe schwebt. Es sieht aus, als grüße der Orca grinsend die Robbe, die ihm auf ihrem Flug über die aufgewühlte See mit einer Flosse zuwinkt. Die Szene wirkt wie ein Spiel und nicht wie das blutige Gemetzel, das es ist.
    »William Wallace Caldwell ist einer der reichsten Männer Amerikas«, sagt Melvin, dabei fährt er abwesend mit einem Finger über den Dosenrand. »Seine Tochter Susan hat sich mit siebzehn Jahren das Leben genommen. Warum, weiß ich nicht. Geht auch niemanden etwas an.
    Vielleicht Liebeskummer, vielleicht war sie schwanger oder manisch-depressiv. Jedenfalls war sie die einzige Tochter. Seine Frau Kate fing an zu trinken und fuhr kein Jahr später gegen einen Brückenpfeiler.« Melvin sieht mich an. Die Getränkedose ist ein kleines Tier, dem er tröstend über den Kopf fährt. »Mit seinem Vermögen hat er diese Stiftung gegründet. Dann hat er eine Überdosis Schlaftabletten genommen. Sein Chauffeur fand ihn, und er wurde gerettet. Bill Caldwell ist einer der Männer, die ewig in der Beobachtungsstation bleiben, weil sie es immer wieder versuchen.«
    Melvin erhebt sich seufzend. Er nimmt die Kopfbedeckung ab, an deren jüdischen Namen ich mich nicht erinnern kann, kratzt sich und setzt sie wieder auf. Seine Hose ist zu eng, der Reißverschluss steht ein Stück weit offen, ein weißer Keil Unterhose ist zu sehen. Er holt eine neue Dose aus dem Schrank, trinkt die andere leer und wirft sie in seinen eigenen Recyclingeimer.
    Ich setze mich auf und hebe das Heftpflaster ein wenig an. Die Haut darunter ist weich und käsig, der Schnitt hellrot, die schwarzen Fäden bilden einen schiefen Gartenzaun.
    »Ich mach meinen Rundgang«, sagt Melvin. Er geht jeden Tag mindestens zehnmal durch die ganze Abteilung, plauscht mit den Männern, spielt eine Partie Dame mit Sydney, liest dem Vietnamesen, den alle Ho nennen, Witze aus einem Sammelband vor oder hilft Lefty beim Lösen eines Kreuzworträtsels. »Kommst du mit?«
    Ich zeige ihm das Heft, und er nickt. »Bis später dann«, sagt er. Melvins Gang ist watschelnd, und ich muss lächeln, während ich ihm nachblicke.
     
    Am Nachmittag kommt Vermeer. Auf dem Flur muss er erst Sam loswerden, der mit der Ziegenpetition vor seinem Gesicht wedelt, dann betritt er rasch das Zimmer. Den Pfleger, der sich um Sam kümmert, kenne ich, es ist der Typ, der mit seinem Kollegen in mein Zimmer gestürzt kam, als ich mir die Kanüle aus dem Arm gerissen habe. Er legt einen Arm um Sams Schulter und geht mit ihm weg, zwei Kumpels, die sich nach einem harmlosen Streit wieder vertragen und zusammen ein Bier trinken gehen.
     
    Ich frage mich, ob die Pfleger hier ein Vermögen verdienen und ihren Job deshalb so hingebungsvoll erledigen oder ob sie von Natur aus extrem hilfsbereit und fürsorglich sind und gar nicht anders können, als die Besten des Landes zu sein, die Pflege-Elite. Vielleicht werden sie überwacht und gefeuert, wenn sie einen von uns anschnauzen oder sonst wie unfreundlich behandeln. Ich sehe an die Decke und suche nach versteckten Kameras.
    »Wilbur Sandberg«, sagt Vermeer. Er sitzt im Sessel, in dem Melvin gesessen hat, und sieht mich an. »Ist das Ihr Name?«
    Ich finde nichts, keine Kameras. Ich heiße nicht Wilbur Sandberg, das könnte ich antworten. Mein Name ist Will McDermott. Orla nannte mich manchmal Wilbi und, wenn ich etwas ausgefressen hatte, little filou, wie der französische Arzt, der seltsame Worte in ein kleines Gerät geflüstert hatte.
    »Wir haben Ihren Koffer«, sagt Vermeer. Ich sehe ihn an. Er zieht etwas aus der Brusttasche seines Hemdes. »Das Hotel meldete der Polizei Ihr Wegbleiben.« Er hält mir mein Bild hin, eingeklebt in meinen Pass, und ich sehe mich an, fünf Jahre älter. Vermeer faltet ein Blatt Papier auseinander. »Sie haben sich unter dem Namen Conor Finnerty im Hotelregister eingetragen. Erinnern Sie sich daran?«
    Ich sehe auf den Flur, wo Stan vor einem Aquarium steht, und obwohl ich mich erinnere, schüttle ich langsam den Kopf. Der Mann mit der Halskrause geht vorbei. Er heißt Larry und hat versucht, sich aufzuknüpfen. Er ist hier, weil der Strick zu dünn oder der Balken morsch war. Er kann nicht sprechen und ernährt sich von Bananenmilch. Er schreibt keine Zettel, hat keine Fragen.
    »Wilbur? Erinnern Sie sich?«
    Ich würde Vermeer gerne um den Indianer und das Pferd bitten. Ich hätte gerne meinen Koffer bekommen. Darin einrollen würde

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