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Nach Hause schwimmen

Titel: Nach Hause schwimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Portsalon Seniors Circle , der sich um alte alleinstehende Menschen kümmerte. Im einen Verein war Pauline Präsidentin, im anderen Henry Protokollführer. Nahm Pauline an einer Sitzung teil, blieb Henry zu Hause, und wenn er seine gemeinnützigen Aufgaben erfüllte, wachte Pauline über den Pflegesohn. Nicht einmal den Sonntag hatte Wilbur für sich, denn dergehörte der Kirche. Er wurde dazu angehalten, die Texte der gängigsten Lieder auswendig zu lernen und seine Singstimme zu trainieren. Wenn er sein abendliches Bad nahm, musste er so laut singen, dass Pauline ihn in der Küche hören konnte. Dabei gab er sich keine große Mühe, die Töne zu treffen, und als er auch nach mehreren Wochen des Übens noch immer falsch sang, meinte Pauline, er solle sich in der Kirche ein wenig zurückhalten.
    Nach dem Gottesdienst kamen meistens Gäste zum Mittagessen, das Pauline schon am Samstag vorbereitet hatte. Waren alte Leute unter den Besuchern, musste Wilbur ihnen zu Kaffee und Kuchen etwas vorlesen, mit Bleistift markierte Stellen aus der Bibel oder erbauliche Kurzgeschichten eines schottischen Landpfarrers und Laienschriftstellers, in denen es um opferbereite Missionare, selbstlose Nonnen und kluge Hirtenhunde ging. Nach jeder dieser Lesungen wurden Wilburs Vortragskunst, seine klare Aussprache und helle Stimme gelobt, und Pauline ließ sich voller Eifer darüber aus, wie wichtig es sei, täglich ein gutes Buch zur Hand zu nehmen, gerade in einer von der Unkultur des Fernsehens geprägten Zeit.
    Obwohl es Wilbur bei solchen Gelegenheiten drängte, etwas zu sagen, schwieg er. In den ersten Tagen nach seiner Ankunft hatte er sich allabendlich die Treppe hinuntergeschlichen, um durch den Türspalt ins Wohnzimmer zu spähen und zu sehen, was seine Pflegeeltern bis spätnachts wach hielt, und er wusste, dass es nicht die Lektüre von Büchern war. Die Satellitenschüssel, an der Rückseite des Daches angebracht und von der Straße her nicht zu sehen, speiste das Fernsehgerät der Conways mit englischen Seifenopern und amerikanischen Krankenhausserien, einem wüsten Reigen aus Trennungen, Krebsleiden, Bankrotten, wundersamen Heilungen, häuslicher Gewalt, Geständnissen auf der Intensivstation, ungewollten Schwangerschaften und verschollenen Zwillingsbrüdern.
    Wilbur sah sich diese düsteren, von gelegentlichen Leuchtfeuern vermeintlicher Glücksmomente erhellten Sagen menschlichen Zusammenlebens ein paar Tage lang an, dann blieb er nachts lieber in seinem Zimmer und übte mit tiefer Stimme markante Sprüche seines zähen Helden. Manchmal, wenn er an das Fernsehgerät dachte, das ihm gehörteund das er bei Colm hatte zurücklassen müssen, wurde er wütend. Sein Leben hätte um einiges weniger langweilig sein können, wenn man ihn nicht hierher verfrachtet hätte. Jede Nacht hätte er, vom schlafenden Colm unbemerkt, ins Wohnzimmer gehen können, um sich Filme anzusehen, die nur zu später Stunde gezeigt wurden, weil die Leute darin fluchten und andere Leute erschossen und sich küssten.
    Wilbur empfand es als unerträgliche Verschwendung, dass seine Pflegeeltern sich einen solchen Mist ansahen, und wenn er tagsüber mal alleine war, weil Pauline für ein paar Minuten wegmusste, warf er mit Steinen nach der Schüssel. Er schaffte es sogar, sie so zu treffen, dass ein Mechaniker kommen und ein Teil ersetzen musste. Alle fragten sich, wie der Schaden entstanden war, und als der Mann Dellen in der Schüssel entdeckte und ein paar Steine in der Dachtraufe fand, wurde Wilbur zur Rede gestellt. Erst stritt er alles ab, doch unter dem Druck des Verhörs, das Pauline perfekt beherrschte, gestand er schließlich und rechtfertigte seine Tat damit, dass Pfarrer Fowley das Fernsehen ein Werk Satans genannt hatte. Damit war Wilbur in den Augen der Conways zwar ein fehlgeleiteter Jugendlicher, der die metaphorisch gemeinte Aussage eines Geistlichen zu wörtlich genommen hatte und Nachsicht verdiente, aber einer Strafe entging er dennoch nicht. Sein aus pädagogischen Gründen bereits kümmerliches Taschengeld wurde bis zur Tilgung der Reparaturkosten gestrichen, und er musste die Regenrinnen reinigen. Henry fand zwar, die Arbeit auf der Leiter sei für einen kleinen Jungen zu gefährlich, aber wie immer setzte Pauline sich durch.
    Während Wilbur in fünf Metern Höhe auf den Sprossen der Leiter stand und verrottetes Laub aus der Rinne schaufelte, dachte er daran, sich fallen zu lassen. Er malte sich aus, wie er auf dem Rasen aufschlagen

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