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Nach Hause schwimmen

Titel: Nach Hause schwimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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erfreut gezeigt, als Fintan Taggart anbot, den Sportunterricht an der Schule zu übernehmen. Miss Ferguson war die einzige gewesen, die Bedenken äußerte und meinte, sie würde die Spiele mit ihren Kindern vermissen. Dass der braungebrannte Mann, der zur Beerdigung seines Vaters aus Neuseeland angereist war, über keinerlei pädagogische Kenntnisse verfügte, störte weder die Verantwortlichen an der Schule noch die zuständigen Behörden. Fintan Taggart, zweiunddreißig Jahre alt, strahlte vor Gesundheit und Tatendrang, er war höflich, ehrgeizig und ein guter Christ, und nicht zuletzt war er ein Junge aus dem Ort. Einer der Lehrer hegte anfangs Zweifel an der Autorität des Sunnyboys, doch am jährlichen Schulsporttag bewies Taggart nicht nur unermüdlichen Einsatzwillen und Übersicht, sondern auch eine sichere und notfalls strenge Hand im Umgang mit den Kindern.
    Dass er innerhalb eines Jahres und mit eigenen Händen eine Schwimmhalle erbaut hatte, die eine Bereicherung des Sportunterrichts darstellenund dem Ort zudem eine gewisse Popularität bescheren würde, war ein weiterer Grund für die Behörden, ihm eine Lizenz als Lehrer zu erteilen. Sein Vorhaben, den Kindern aus der Gegend das Schwimmen beizubringen, sah das Gremium als Geschenk des Himmels, an einer Sitzung wurde Taggart gar zum Gesandten Gottes.
    Das Gebäude, in dem sich das Schwimmbecken befand, stand auf einer Wiese, auf der Taggarts Vater früher eine Handvoll Schafe weiden ließ. Der Tag der Einweihung war gleichzeitig der Tag, an dem Fintan Taggart offiziell als Lehrkraft der Schule von Portsalon bestätigt wurde. Drei Wochen nach den Herbstferien drängten sich Leute aus den umliegenden Orten, Lokalpolitiker, Lehrer, Geistliche und ein paar Reporter und Fotografen in dem Würfel, den graues, durch das Plexiglasdach fallendes Licht erhellte und in dem es nach Chlor und Farbe roch. Die Schüler, unter ihnen Wilbur, hatten auf der Wiese vor dem Gebäude Lieder gesungen und standen dann in der Kälte und warteten auf das Ende der Zeremonie. Drinnen sprangen ein paar Kinder, die bereits schwimmen konnten, vom Einmeterbrett und kletterten unter dem Applaus der Anwesenden aus dem Becken.
    Taggart, in einem neuen Adidas-Trainingsanzug, hielt eine Rede und pries das Wasser als lebenspendendes Element, warnte aber auch vor dessen tödlicher Kraft. Er erntete beifälliges Murmeln von Eltern, als er die Unersetzbarkeit von Kindern betonte, ließ die Kirchenmänner ernst nicken, indem er den Schöpfer dafür pries, dem Menschen die Fähigkeit des Schwimmens verliehen zu haben, und den Journalisten lieferte er selbstgefällige Anekdoten und plakative Botschaften zur Ausschmückung ihrer Artikel. EIN MANN WILL LEBEN RETTEN , JEDE FLIESE EIN SCHICKSAL , EIN BECKEN VOLLER HOFFNUNG lauteten die Überschriften der Artikel, die wenig später in den Lokalblättern erschienen und Fintan Taggart als Mann mit einer Mission darstellten, als Retter, als Messias.
    In allen Zeitungsberichten wurde noch einmal das tragische Schicksal des Jungen aus Portsalon heraufbeschworen, für den der Schwimmunterricht zu spät kam. Liam O’Donnell, einer aus Conor Lynchs ehemaligem Gefolge, der Mitläufer, der Wilbur damals täglich mit Daumen und Zeigefinger die Haut am Oberarm verdreht hatte, dass sie sich blauverfärbte, war bei einem Bootsausflug mit seinen Brüdern ertrunken. Die Klasse war zu seinem Begräbnis gegangen und hatte am Grab gesungen, Wilbur so laut und falsch, dass Miss Ferguson ihn mit einem strengen Blick zum Verstummen brachte.
    Fintan Taggarts Ziel war es, den Kindern die Angst vor dem Ertrinken zu nehmen. Bei Wilbur löste er durch seinen Schwimmunterricht eine den Jungen bis in die Träume verfolgende Panik vor Wasser aus. Bevor Taggarts Tempel errichtet war, hatte Wilbur nichts gegen ein heißes Bad gehabt. Als Orla noch lebte, gab es für ihn kaum etwas Schöneres, als von Schaum umhüllt in der Wanne zu sitzen und Orlas Summen zu lauschen. Seit er bei den Conways war, gehörte das Baden zur täglichen Pflicht, und Wilbur begann nach einer Weile, das von Dampfschwaden erfüllte Badezimmer als den einzigen Ort im Haus zu schätzen, wo seine Pflegemutter ihn aus Gründen der Schicklichkeit alleine ließ. Erst in dem Becken, an dessen Boden die Namen der Ertrunkenen durch einen Film aus milchigem Wasser schimmerten, entwickelte Wilbur Todesangst. Unter dem Brüllen des Lehrers und dem Johlen der Mitschüler schaufelte er mit den Armen und schlug mit den

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