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Nach Norden, Strolch

Nach Norden, Strolch

Titel: Nach Norden, Strolch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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durch das Fenster konnte er hineinschlüpfen.
    Nach einer Weile hörte sie seine Tritte im Gang und das Quietschen der Türklinke. Es dauerte eine Weile, bis sich die Tür öffnen ließ, und dann gab sie gerade so weit nach, daß sie durchschlüpfen konnte.
    »Scharniere kaputt«, sagte er kurz.
    Er schob die Tür wieder fest zu, dann zündete er ein Streichholz an und damit ein Stückchen Kerze, das er aus der Innentasche seines Rockes hervorholte. Überall im Gang lag Unrat, tote Blätter waren hereingeweht, Lumpenstücke waren unter Haufen von Staub sichtbar. Oben über dem Gang lief ein Balken, und in dieses Holz war ein großer Haken eingeschraubt. Sie sah es schaudernd … Der vergessene Schwede, dessen einziges Denkmal dieses verfallene Haus war, hatte sich wohl daran erhängt.
    »Ach!«
    Er sah sie ernst an. »Du bist doch nicht erschrocken?« Seine Augen ruhten auf dem Haken. »Das war’s nicht. Dort hatte er seine Schinken aufgehängt. Er hat es im Wald getan, an einem Baum oder sonstwo, so sagt man wenigstens. Hat eine Frau verloren und ist wahnsinnig geworden - lange, bevor du auf der Welt warst, sagt man wenigstens.«
    »Wer sagt das?« fragte sie ungeduldig.
    Er deutete etwas unbestimmt mit dem Kopf in der Richtung von Littleberg, in Wirklichkeit wollte er eine verstreute Gemeinde andeuten.
    »Strolche tauschen solche Erzählungen untereinander aus. Ich habe sie nicht alle verstanden - sie haben so ihre eigene Sprache. Willst du bitte das Licht halten.«
    Oktober nahm die Kerze aus seiner Hand, und er taumelte in das Zimmer hinein, dessen Tür auf den Gang führte. Er kam sehr bald wieder und trug eine staubige, zerfetzte Wolldecke.
    »Ein Eisenbett ist da - die Sprungfedern scheinen in Ordnung zu sein. Etwas verrostet, glaube ich - aber sie federn. Wir müssen es wohl riskieren, Licht zu machen.«
    Das Bett war eine traurig aussehende Angelegenheit, aber, wie er gesagt hatte, die Sprungfedern waren intakt. Er schüttelte die Wolldecke aus und faltete sie zu einem Kissen zusammen.
    »Ziemlich warm«, sagte er schläfrig, »aber du deckst dich doch besser mit deinem Mantel zu.«
    Sie setzte sich auf das Bett und sah ihn an. Möglicherweise hatte er einmal gut ausgesehen. Aber das stopplige Gesicht, das verletzte Auge, die geschwollene Röte auf der einen Backe … Oktober schüttelte den Kopf.
    »Was ist denn los mit deinem Gesicht?« fragte sie.
    Ihre Frage schien ihn zu wundern.
    »Im allgemeinen oder im besonderen?« fragte er und berührte die geschwollene Backe. »Das hier? Giftsumach. Wäre was für die Inquisition gewesen. - Jetzt sollst du schlafen.«
    Sie warf ihre Schuhe ab, legte sich hin und zog ihren Mantel über sich. Die Matratze war teilweise weich, aber sie bestand aus kleinen Stahlringen. Ihr Kleid war dünn - am Morgen würde sie tätowiert sein! Er hatte sich in eine Ecke des Raumes gesetzt und die Kerze ausgeblasen. Nach einer Weile hörte sie ihn tief atmen. Einmal schnarchte er.
    Durch das unverhängte Fenster konnte sie in regelmäßigen Abständen den Himmel rot und blau aufleuchten sehen. Bei jedem Donnerschlag erzitterte das Haus - und dann prasselte ein Regen nieder. Er trommelte gegen das Dach, schlug gegen das zerbrochene Fenster … Tropf … tropf … tropf …! Irgendwo war das Dach undicht. Das Tropfen des Wassers klang ganz in ihrer Nähe. Zwischen dem Donnergrollen hörte sie Robin atmen … Sie fing gerade an zu dösen, als er im Schlaf sprach.
    »Blöder Idiot«, murmelte er. »Blöder Idiot!«
    Sie konnte nicht feststellen, ob er von sich selber sprach oder zu jemandem, der in sein Leben, das ihr verhüllt war, gehörte - oder ob er von ihr sprach!
    Sie fiel in einen traumlosen Schlaf - und erwachte langsam mit dem Bewußtsein, daß jemand ihre Hand hielt. Eine stopplige Wange war ganz dicht bei der ihren. Sie wollte gerade schreien, aber eine feste Hand schloß ihr den Mund.

5
    Die Hochzeitsgesellschaft war auf vier Personen zusammengeschmolzen. Pfarrer Stevens war gleich nach den Gästen - erwünschten wie unerwünschten - gegangen. Seine Verantwortung war schwer gewesen, dies fühlte er und sagte es auch. Vielleicht würde er am Morgen schon im Mittelpunkt einer Kontroverse stehen mit Legionen, die seine Partei ergriffen, und Armeen, die gegen ihn waren. Durfte er nicht erwarten, in jeder Zeitung Bilder von sich zu sehen mit gewichtigen Schlagzeilen?
    Jedenfalls wollte er für den nächsten Morgen, falls die Reporter zu ihm kämen, zwölf Fotografien von sich

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