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Nach Norden, Strolch

Nach Norden, Strolch

Titel: Nach Norden, Strolch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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›O‹ an und war rührend besorgt, ihn günstig zu stimmen.
    »Rein mit dir, und mach’ das Bett noch mal, du erbärmlicher Zwerg!« Er hob seinen Fuß. Der kahle alte Mann aber wich dem Fußtritt mit großer Gewandtheit aus.
    Im Licht hatte ›O‹ die weiße Fläche der Hemdbrust bemerkt und hoffte sicherlich auf Almosen. Robin begriff, daß er nicht erkannt worden war.
    »Der alte Kerl hat ’nen Vogel. Achten Sie nicht auf ihn! Er sieht Gespenster! Haben Sie ’nen Dollar? Na, also, dann ’nen halben? Ich und er, wir haben seit Tagen nichts mehr zu fressen gekriegt.«
    Robin erklärte kurz das Nötige.
    »Hier schlafen? Sind ja verrückt. Übrigens ist hier kein Platz.« Der Ton der Ehrerbietung war aus seiner Stimme verschwunden. »Was haben Sie denn vor?«
    »Ich bleibe hier, das ist alles«, sagte Robin und wandte sich ab.
    Er erwartete, daß der Mann ihm folgen würde, aber der bewegte sich nicht. Robin erklärte Oktober schnell die Sachlage.
    »Ich glaube nicht, daß wir den Wagen viel weiter bringen können«, sagte er. »Der Tank ist beinahe leer, aber vielleicht kann ich morgen irgendwo einen Kanister Benzin klauen.«
    Er fuhr den Wagen über die Löcher und Furchen, ließ ihn über geheimnisvolle Schutthaufen klettern und lenkte ihn rückwärts in den Schuppen. Dann gingen sie den Verschlag in der Ecke des Grundstücks suchen. Es war ein kleines, fensterloses Gebäude, das aber offensichtlich früher schon als Schlafstelle benutzt worden war. Einer der Türflügel fehlte. Der Boden war kahl, nicht einmal ein Sack war liegengelassen worden. Die einst geweißten Wände waren mit Bleistiftaufschriften früherer Bewohner bedeckt. Einige von ihnen waren verständlich, eine ganze Reihe aber nicht druckfähig. Zeichnungen waren auch da, aber Robin beleuchtete sie wohlweislich nicht.
    »Du wirst es mit dem Boden versuchen müssen«, sagte er und legte Kissen und Decke, die er aus dem Wagen mitgebracht hatte, in die eine Ecke.
    Er hörte ein Geräusch und blickte auf. Die Riesengestalt von ›O‹ stand als Silhouette im Türrahmen. Robin schritt auf ihn zu.
    »Wünschen Sie etwas?« fragte er.
    Robins Lampe beleuchtete grell das tierische Gesicht des Mannes. Dieser beschattete seine Augen und sah die Pistole in Robins Hand.
    »Nanu, was ist denn mit Ihnen los …?«
    »Mach, daß du fortkommst!«
    Der große Mann schlenderte in die Dunkelheit hinaus. Nur sein Fluchen klang unerwünscht deutlich zurück.
    »Wer ist das?«
    »O«, sagte Robin kurz, »das heißt ›Null‹ - er ist Niemand, nichts!«
    Ein Kissen genügte ihm. Er legte es vor die Tür, zog eine Gummidecke um sich und döste, mit dem Rücken an der Wand, ein. Es dauerte lange, bis Oktober in einen unruhigen Schlaf fiel. Sie wachte mindestens ein dutzendmal auf, aber jedesmal, wenn sie sich umdrehte oder ausstreckte, vernahm sie in der Nähe der Tür eine Bewegung und wußte, daß er wach war. Schließlich setzte sie sich aufrecht, schüttelte ihr Haar aus den Augen und gähnte.
    »Hat es dich geweckt?« fragte er sofort,
    »Es? Was war denn? Ich habe nichts gehört.«
    »Der arme kleine Kahlkopf kriegt Prügel - wenn ich könnte, ginge ich hinüber.«
    Sie wußte, was er sagen wollte. Wenn es nicht nötig gewesen wäre, ihren Schlaf zu bewachen, wäre er hingegangen.
    Sie gähnte wieder, stand auf, zog ihre Schuhe an und ging zu ihm hinüber. Sein Kopf war horchend vorgeneigt. Von irgendwoher kam ein Wimmern, ein dünnes, schwaches Weinen, wie das eines Kindes.
    »Armes altes ›Kahlköpfchen‹!« sagte er sanft.
    Sie fragte ihn, wen er meinte, und er erzählte ihr von dem Alten, der Jesse hieß.
    »Der wird wohl sein ›Sklave‹ sein. Einige dieser Strolche haben solche arme Teufel bei sich, von denen sie sich bedienen lassen. ›Kahlköpfchen‹ ist einer von ihnen.«
    Er erzählte ihr nichts von Julia oder der Erscheinung oder der großen Universität, wo ›Kahlköpfchen‹ vor Studenten doziert hatte, die jetzt große Ärzte waren und in protzigen Limousinen durch das Land fuhren. Die Geschichte war doch zu quälend, und er war nicht gefühllos genug, um nicht selber davon ergriffen zu sein.
    Das Weinen hörte auf. Sie holte ihre Decke, legte sie um ihre Schultern und setzte sich neben ihn. Er hätte ein ganz klein wenig geschlafen, sagte er, und außerdem behauptete er, nicht viel Schlaf zu brauchen. Einmal, erzählte er stolz, hätte man ihn sogar drei Tage und drei Nächte wachgehalten.
    »Wo war denn das?« fragte sie. Er antwortete

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