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Nach Norden, Strolch

Nach Norden, Strolch

Titel: Nach Norden, Strolch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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zu.
    »Habe mich wohl doch geirrt!« Die Stimme war die eines gebildeten Mannes. Kanadier, erkannte Robins geübtes Ohr.
    »Ich konnte Sie nicht deutlich sehen. Das Licht blendete. Hm!«
    Er blickte ihn mit kurzsichtigen Augen an.
    »Hm! Ich sehe, daß Sie sich zum Dinner umgezogen haben. Die Mode hat sich in den letzten Jahren sehr geändert. Ein weiches Hemd war früher undenkbar.«
    Seine schmutzige Hand betastete den Stoff des Smokings.
    »Das ist doch interessant.« Er schüttelte den kahlen Kopf. »Mal sehen … Es ist schon lange her, daß ich das letztemal … Hm!«
    Robin war sowohl durch die Aussprache des Alten wie durch das Gesagte bestürzt.
    »Es war vor der Geschichte mit Julia«, meinte der alte Gentleman, sich in Erinnerungen verlierend, »und lange bevor die Erscheinung zu mir kam. Das geschah das erstemal in Santa Barbara … Oder war es in Sacramento … Das genaue Datum kann ich Ihnen nicht sagen. Meine Frau hab’ ich sehr schlecht behandelt. Julia war das Werkzeug der göttlichen Gerechtigkeit.«
    Er sprach sehr freundlich, in der Art, wie sie alten Männern, die sich in Erinnerungen verlieren, eigen ist. Er erwähnte nebenbei, daß er Professor der Anatomie an einer großen amerikanischen Universität gewesen war - lange vor der unglücklichen Affäre mit Julia, lange bevor die Erscheinung zu ihm gekommen war, lange vor der Geschichte mit ›O‹.
    Der Alte nickte auf die Tür zu. »›O‹ glaubt, ich sei verrückt … Wegen der - Erscheinung. Ich versuchte ihm klarzumachen, daß ich Gaben besitze, die nicht jedem beschieden sind, aber ich kann seine Skepsis schon begreifen. Vor zwanzig - dreißig Jahren hätte ich auch über die Sache gelacht … Hm!«
    Robin hielt die Zeit für gekommen, einige wichtige, sachliche Fragen zu stellen.
    »Platz für einen Wagen? Mal überlegen.« Der Alte strich sich über seinen glänzenden Kahlkopf. »Hinten ist ein Schuppen - niemand kommt ins Atelier … Wie man das hier nennt. Früher war es eine Film - eh - Werkstatt. Ich weiß sehr wenig von solchen Sachen. Bin froh, daß Sie gekommen sind.«
    »Weshalb denn?«
    »Ich bin sehr froh, daß Sie gekommen sind«, wiederholte der Alte. »Die Erscheinung … Ich bin nicht sicher, ob ich sie recht verstanden habe. Gewöhnlich spricht sie sehr ausführlich, aber heute nacht … seltsam unklar. Selbstverständlich möchte man nicht gern einen Fehler begehen. Vielleicht war es auch nur mein eigenes Gefühl, schlecht behandelt worden zu sein, das mir eingab … Er hat mich ziemlich geschlagen. Sehen Sie!«
    Er deutete auf seinen Mund: Er war geschwollen und aufgerissen.
    »Handelt es sich um den Mann, mit dem Sie reisen?«
    Der Alte nickte ernst.
    »Ich kenne seinen Namen nicht. Man nennt ihn Harry, den Diener.« Er blickte nervös auf die Uhr. »Ich zeige Ihnen den Schuppen«, sagte er und ging voraus. »Wir sind seit acht Jahren zusammen - vielleicht noch länger. Ich finde ihn nützlich. Aber er ist sehr grausam … Hm!«
    Der Alte hatte gesagt, dieses verlassene Atelier würde von niemandem aufgesucht. Aber selbst, wenn dies nicht der Fall war, so stand der Schuppen auf der Seite des Gebäudes, wo er am wenigsten gesehen werden konnte.
    »Das hier ist ein besonders beliebter Unterschlupf für die ›Pennerzunft‹.« Robin verstand, was er meinte. »Aber ich fürchte, der beste Platz ist besetzt. Vielleicht wünschen Sie aber gar nicht, hier zu schlafen?«
    Robin teilte ihm mit, daß das allerdings seine Absicht sei, und der Alte schien nicht erstaunt.
    »Sind Sie allein? Nicht? - In der Ecke des Grundstücks ist noch ein alter Verschlag. Ich war selbst noch nicht dort, aber bei trockenem Wetter soll es da sehr bequem sein.«
    Er hätte ihm den Weg gezeigt, aber Robin lehnte seine Hilfe ab. Sie kehrten zu dem einstöckigen Gebäude zurück, wo sie entdeckten, daß ›O‹ im Freien stand und auf den Alten wartete. Er war ein Riese, fast einen ganzen Kopf größer als Robin.
    »He! Was ist denn los, Jesse … Was zum Teufel treibst du denn? Was unterstehst du dich, die Tür offen zu lassen, du kleiner …«
    Seine Sprache war nicht gerade gewählt. Robin hielt seine Taschenlampe zur Erde. Das gab genug Licht, den Mann näher zu betrachten. Schäbig, aber nicht eigentlich schlecht gekleidet, gut genährt, stämmig … Das war alles, was man Gutes über seine Erscheinung sagen konnte. Wenn möglich, war er noch weniger anziehend als am ersten Abend, als sie sich begegnet waren.
    Der alte Mann sprach ihn mit

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