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Nach Norden, Strolch

Nach Norden, Strolch

Titel: Nach Norden, Strolch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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nach einer Weile sprach er wieder.
    »Dies, meine Herren, ist ein typischer Fall von Herzschwäche - Sie werden bemerken, daß der Patient …«
    Seine Stimme erstarb in einem Murmeln, und als er wieder sprach, war es von Julia und ›dem verdammten Schuft‹, der ihn ›geschmissen‹ hatte.
    Georgina sprach kein Wort; sie saß mit seiner Hand in den ihren da, und ihre Augen wanderten über sein verwüstetes Gesicht. Was lag hier unausgesprochen zwischen den beiden? überlegte sich Robin. Das würde er nie erfahren. Irgendwo in der Vergangenheit dieser zwei Menschen lag etwas … Eine Verbindung, die seinem Verständnis verborgen war.
    »Schön, dich zu sehen! Schön, dich zu sehen!«
    Die Stimme des Alten war sehr klar. Fünf Minuten verstrichen ohne irgendein Geräusch … Nur Robin wußte, daß er tot war.
    Lady Georgina ging mit hocherhobenem Haupt die Treppe hinunter, keine Spur von Tränen war sichtbar, als sie vor Robin stand.
    »Ich werde dich nicht Wiedersehen«, sagte sie. »Adieu!« Er blieb stumm. Es gab vieles, was er ihr hätte sagen können, aber all ihre Verschlossenheit stemmte sich gegen seine Worte. Sie haßte ihn, weil er Bescheid wußte; haßte ihn wegen dem, was er war, und allem, was er darstellte.
    »Aylesbury - das wäre doch wohl noch bequemer, als ein Güterwagen oder das Dach eines Pullman-Wagens in einer Regennacht. Meinst du nicht, Robin?«
    Er sagte nichts. Sie hatte ihn die ganze Bitterkeit fühlen lassen, die sie gegen eine Welt empfand, die sich so hart gegen das erbärmliche Wesen, das sie oben verlassen hatte, gezeigt hatte. Er kannte nun das Hindernis, das ihr ganzes Leben durchkreuzt und das vor dreißig Jahren zwei Herzen gebrochen hatte. Er fühlte es, und sie tat ihm unendlich leid. Und doch, auch wenn sie ihm in diesem Augenblick den Scheck zur Unterschrift präsentiert hätte, er hätte es abgeschlagen. Aber sie dachte nicht daran, dies zu tun und ihm noch einmal Frieden anzubieten. Krieg! Dies zu wissen, erfüllte ihn mit einem Prickeln. Er hätte lachen mögen, als er dastand und zusah, wie ihr Auto in die Nacht verschwand - lachen und weinen, denn sie stellte eine größere Forderung an sein Mitgefühl, als er es für möglich gehalten hätte.
    Er schloß die Tür und ging ins Wohnzimmer. Oktober war auf ihrem Zimmer - und das war gut. Er lockerte eine der Jalousien und öffnete das Fenster. Es war nur ein kleiner Sprung zur Terrasse hinunter. Auf das Fenstersims legte er seine elektrische Taschenlampe, die er aus Oktobers Zimmer mitgebracht hatte. Er zog die schweren Tuchvorhänge vor dem Fenster zu, nahm seine Pistole, füllte das Magazin auf und entsicherte. Unter den Gegenständen, die er Miss Ellen gebeten hatte zu kaufen, befand sich ein dunkler Regenmantel, den sie auf dem Vorplatz aufgehängt hatte. Er fand ihn, steckte die Waffe in eine der Taschen und hing den Mantel in Reichweite auf. Die Uhr auf dem Vorplatz schlug eins. Sie klang wie eine Totenglocke. Robin lächelte, es war seine einzige Geste des Trotzes …
    Der Türgriff drehte sich. Oktober trat ein; nie hatte er sie derart deprimiert gesehen.
    »Es ist schrecklich. Aber, Robin, die arme Dame ist wirklich unerhört - ganz unerhört! Ist sie fortgegangen?« Er nickte. »Es ist doch alles so unwirklich … und häßlich!«
    »Es gibt in der Liebe nichts Häßliches«, antwortete er und spürte, daß er eine Binsenwahrheit sagte.
    »Vielleicht nicht. Aber mir war das Ganze unheimlich. Nicht der Tod des armen Alten. Der war so natürlich, daß es ganz richtig war. Aber sie - da auf dem Bett sitzend, mit seiner Hand zwischen den ihren - und die alte Liebe ging vorbei wie ein Spuk. Es war, als sähe man welke Blumen auf einem Schutthaufen und versuchte, sie in all ihrer Schönheit wieder aufzurichten.«
    »Müde?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein - weshalb denn?«
    »Möglich, daß wir schnell weiter müssen«, sagte er.
    Sie nickte. »Das habe ich eigentlich erwartet - wann denn?«
    »Weiß ich nicht … Ich glaube, bald. Ich habe nur vor einem Angst: daß man auf leisen Sohlen kommt. Aber das ist kaum wahrscheinlich. Wir müßten eigentlich bald den Wagen hören.«
    »Die Polizei?« Sie war bestürzt.
    »Die Polizei - letzte Zuflucht böser Menschen. Verbrecher wachsen nicht auf Bäumen, sonst hätte sich Georgina einen Korb voll gepflückt. Ich setze mich auf die Türschwelle.« Er nahm schnell seinen Mantel. »Willst du bitte Miss Ellen alles erklären? Und du, Oktober - zieh alles an, was an neuen

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