Nach Santiago - wohin sonst
beiden fährt jetzt mit dem Auto und Ajiz als Passagier an den Zielort und kommt uns anderen von dort entgegen. Am Samstag trifft es Miguel als Chauffeur, am Sonntag ist Peggy dran.
Die Etappe von Puente la Reina nach Estella ist kurz, nur etwa 22 Kilometer. Da wir aber erst gegen Mittag wegkommen, müssen wir doch noch kräftig ausschreiten. Es gab in Puente noch einiges zu erledigen, schließlich war das Refugio für eine Woche meine Heimat. Am wichtigsten ist der Abschied von den Seminaristen, die mich gar nicht gehen lassen wollen. Toni und Corbatón haben sogar Tränen in den Augen, als sie mir noch Obst vom Nachtisch als Jause mitgeben. Ich bin gerührt und nehme mir fest vor, sie irgendwann einmal zu besuchen. Dann sind da noch drei Pilgerinnen aus den USA, die am Vorabend angekommen sind und die — bar jeglicher Erfahrung und mit absolut ungeeigneter Ausrüstung — schon am dritten Tag ihrer Pilgerreise ziemlich fertig sind. Mit einer von ihnen gehe ich am Vormittag noch geeignete Schuhe kaufen — sie kann vor lauter Blasen fast nicht mehr gehen — , schärfe ihr aber noch ein, die neuen Schuhe vorsichtig einzugehen, das heißt, sie während der ersten Tage nicht länger als zwei bis drei Stunden zu tragen. Zum Abschied schenke ich ihnen richtige Wanderstöcke, die ich aus einem Weidenstrauch schneide, Haselnuß finde ich leider nicht. Mit ihren knapp hüfthohen krummen Wurzeln (anscheinend hat ihnen jemand gesagt, sie brauchen unbedingt Stöcke, ohne genau zu spezifizieren, welche Art von Stöcken) tun sie sich beim Gehen schwerer als ohne. Dann koche ich noch ein Mittagessen für uns drei, und am frühen Nachmittag brechen Peggy und ich auf.
Endlich wieder gehen! Ich jubiliere äußerlich und innerlich, es ist wie eine Befreiung! Ajiz und auch der Rucksack sind bei Miguel im Auto, wir kommen ausgezeichnet voran, Peggy ist eine passionierte Geherin. Der Weg ist wunderschön, eine Weile gehen wir auf einer uralten gepflasterten römischen Straße. Bald überholen wir die drei Gringas, die sich mühsam voranschleppen. Und wenig später stoßen wir auf Miguel, der mit dem Auto gemütlich durch die Gegend bummelt und am Rio Salado auf uns wartet. Im Mittelalter sollen betrügerische Einheimische durstigen Pilgern Wasser aus dem stark alkalihaltigen Rinnsal angeboten haben, um ihren Durst noch zu steigern und ihnen dann teuren Wein als einzig verfügbaren Durstlöscher zu verkaufen.
In Estella ist das Refugio wegen Umbaus geschlossen, wir bekommen aber in einem Hotel ein günstiges Zimmer, dank meines Pilgerausweises. Miguel, der etwas länger am Rio Salado geblieben ist, erzählt uns, daß er sich der drei erschöpften Gringas erbarmt und sie im Auto bis Estella mitgenommen hat. Als Frauen dürfen sie gratis in einem Frauenkloster übernachten.
Zu meiner übergroßen Freude treffen wir im Hotel Juan aus Venezuela und verbringen einen äußerst netten Abend mit ihm. Im Refugio in Puente la Reina hat er mir erzählt, daß er in Erfüllung eines Gelübdes unterwegs ist. Als er schwerkrank und dem Tod sehr nahe war, hat er gelobt, zum Grab des Apostels Jakobus zu pilgern, sollte er den 18. Geburtstag seines Sohnes noch erleben. Nun, er pilgert und scheint sich bester Gesundheit zu erfreuen. Wenn ich einmal 63 bin, möchte ich auch so einen guten Schritt haben!
Sonntag, 2. April Estella — Los Arcos
Tu dasselbe!
Ein klarer, strahlender Morgen. Während Peggy Miguel und mich aus der Stadt hinausbegleitet — das will sie sich nicht nehmen lassen — , bleibt Ajiz im Auto. Am Stadtausgang, beim Kloster Irache, wartet schon der erste Höhepunkt auf uns, „La fuente de vino“, der „Weinbrunnen“! Eine Weinkellerei füllt jeden Tag in der Früh ein 100-Liter-Faß mit Rioja-Wein und stellt diesen vorbeiziehenden Pilgern zur Verfügung. Hahn öffnen, und es sprudelt vorzüglicher Rotwein heraus! Für Nichtweintrinker gibt es aber auch einen Wasserhahn. Ein Schild daneben fordert die Pilger zwar zur Mäßigung auf, da ich aber noch nie auf Pilger gestoßen bin, die mit Doppelliterflaschen oder gar Kanistern unterwegs waren, dürfte es wohl kaum ein Problem mit etwaigem Mißbrauch der Gastfreundschaft geben. Obwohl wir gerade erst ein gutes Frühstück zu uns genommen haben, können wir der Versuchung nicht widerstehen und trinken — entgegen unserer Gewohnheit — schon um 10 Uhr früh Wein. Und die Feldflasche wird natürlich auch gefüllt. Tomeo, der junge Pilger aus Mallorca, den ich auch schon in
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