Nach Santiago - wohin sonst
Puente la Reina kennengelernt habe, beschließt, in der Nähe dieses Wunderbrunnens, im Schatten einer großen Eiche, gleich eine längere Rast einzulegen — um 11 Uhr vormittag! — und immer wieder nachzutanken. Wohl bekomm’s!
Beflügelt vom Rioja wandern wir weiter, vorbei am „Gotischen Brunnen“, einer Quelle, selten und damit kostbar in dieser kargen und trockenen Landschaft, die im Mittelalter zum Wohle der Pilger in gotisches Gemäuer gefaßt worden war. Es ist kühl und vollkommen still im Bau, fast wähnen wir uns in einer Kirche. Um die Mittagszeit kommen wir nach Azqueta, wo uns in der Gestalt von Pablito eines der vielen Wunder des Jakobsweges begegnet. Ich weiß nicht, womit er seinen Lebensunterhalt verdient, ich weiß nur, wofür er den Großteil seines Geldes ausgibt. Regelmäßig geht er in den Wald, schneidet die schönsten Haselnußstöcke, schält und trocknet sie und verschenkt sie an die vorbeiziehenden Pilger, die noch keinen geeigneten Stock ihr eigen nennen. Viele nehmen dieses Geschenk, verbunden mit einer kurzen theoretischen und praktischen Einführung in den korrekten Gebrauch eines — über schulterhohen — Pilgerstabes, dankbar an. Viele lassen sogar ihren alten Pilgerstab bei Pablito und nehmen dafür einen von seinen mit, die natürlich viel besser sind. Miguel sucht sich einen schönen Stecken aus, während ich stur bleibe und meinen alten, treuen Stab behalte, den ich mir auf den Sonnenhängen oberhalb von Innsbruck geschnitten habe und der mir schon so viele unbezahlbare Dienste erwiesen hat.
Doch zurück zu Pablito. Stöcke zu verschenken alleine genügt ihm nicht. Jeder Pilger, egal zu welcher Tageszeit er oder sie hereinschneit, wird von Pablito und seiner Frau auf das herzlichste bewirtet. Sicher gehen viele Pilger durch das Dorf, ohne Pablito zu treffen, denn kein Schild oder sonstiger Hinweis führt zu seinem Haus. — Miguel und ich hatten den Tip von Tomeo bekommen. — Aber ich nehme an, daß im Laufe eines Jahres Hunderte von Pilgern diese außergewöhnliche Gastfreundschaft genießen. Beim Abschied, nach Brot, Rotwein, Käse, Chorizo, gegrillter Blutwurst (!!!) und Kaffee, frage ich Pablitos Frau, wie wir uns für all diese Freundlichkeit und überwältigende Großzügigkeit erkenntlich zeigen können.
Die Antwort ist einfach: „Tu dasselbe!“
Der Nachmittag vergeht wie im Flug, Weinfelder, Teile der alten römischen Straße und blühende Rapsfelder wechseln einander ab. Peggy kommt uns entgegen — Ajiz hat sie im Schatten des Autos angehängt und zu dritt gehen wir die letzten Kilometer in der Hitze des Nachmittags nach Los Arcos, wo mich Ajiz freudig begrüßt. Jetzt heißt es Abschied nehmen vom Jakobsweg, wir fahren zu Peggy und Miguel nach Hause.
Gibt es eine Fortsetzung? Das Herz ist mir schwer, aber ich nehme mir vor, den Weg so bald wie möglich zu Ende zu gehen.
Montag, 3. April, Dienstag, 4. April
Intermezzo
Weg vom „Camino“! Es ist, als hätte ich mich von einem bekannten, vertrauten und auch liebgewonnenen Pfad entfernt. Erleichterung und Bedauern halten sich die Waage. Erleichterung, weil die Unsicherheit, der Zweifel und die Selbstvorwürfe endlich vorbei sind. Schuld an der Krankheit von Ajiz sind die Zecken und nicht ich.
Und Bedauern deshalb, weil der Weg für mich vielleicht jetzt schon zu Ende ist. Für Ajiz ist auf jeden Fall Schluß, doch Peggy und Miguel können Ajiz nicht zu sich zu nehmen. Die Schwere seiner Erkrankung läßt sie vor dieser Verantwortung zurückschrecken. Außerdem haben sie zwei Kinder, einen eigenen Hund auch noch, und in der Karwoche erwarten sie Besuch von Freunden, einer Familie mit drei Kindern. Lieber wäre es mir zwar anders, aber ich verstehe sie gut. Schließlich sind sie bereit, Ajiz für drei Tage in ihre Obhut zu nehmen, damit ich wenigstens noch bis Burgos gehen kann. Burgos ist die wichtigste Station auf dem Pilgerweg in Spanien, dem „Camino Francés“, von dort sind es noch etwa 450 Kilometer bis Santiago, zwei Wochen, wenn ich gut gehe. Die hole ich nach, sobald ich irgendwie Zeit habe. Versprochen! Peggy und Miguel bin ich auf jeden Fall zu großem Dank verpflichtet, ohne sie wäre ich wirklich aufgeschmissen gewesen.
Am Dienstag wird die Diagnose Piroplasmose durch den Laborbefund bestätigt. Erst jetzt kann die korrekte medikamentöse Behandlung von Ajiz beginnen. Und es bleibt dabei: drei Wochen absolute Ruhe!
Morgen früh wird mich Miguel nach Vitoria zum Bus bringen, mit dem
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