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Nach zwei Tagen Regen folgt Montag

Nach zwei Tagen Regen folgt Montag

Titel: Nach zwei Tagen Regen folgt Montag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Bojanowski
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und wer womöglich ein heimlicher Skeptiker sei. Wer zwischen die Fronten geriet, gar lagerübergreifende Kontakte pflegte, machte sich verdächtig. Das Misstrauen beförderte eine Günstlingswirtschaft, wie die E-Mails belegen: Jones und Mann verfügten demnach über erheblichen Einfluss auf Fachmagazine. Studien müssen vor der Veröffentlichung von anonymen Kollegen, den Gutachtern, geprüft werden. Mann – ein gefragter Gutachter – habe bei Magazinen als »Türsteher« beim Thema Paläoklimatologie fungiert, monierten Forscher hinter vorgehaltener Hand bereits seit Langem. Dass renommierte Wissenschaftler bei Fachjournalen Einfluss gewinnen, ist bekannt – und riskant: »Die Gefahr, dass sich verdiente Reputation in illegitime Macht wandelt, ist das größte Risiko der Wissenschaft«, erläutert Weingart. Mann widerspricht den Beschuldigungen, übermäßigen Einfluss ausgeübt zu haben. Allein die Redakteure wählten die Gutachter aus, nicht er. In Spezialgebieten mit einer überschaubaren Expertenzahl wie der Paläoklimatologie könnten manche Wissenschaftler aber durchaus erhebliche Macht erlangen, gibt Weingart zu bedenken – einen guten Draht zu den Herausgebern der jeweiligen Zeitschriften vorausgesetzt.
    Gute Beziehungen zu Fachblättern hatte das »Hockey-Team«, wie sich die Gruppe um Mann und Jones mitunter nannte, zweifellos. Untereinander sprachen sich die Kollegen bei der Begutachtung ab: »Habe zwei Studien abgelehnt von Leuten, die sagen, CRU läge falsch mit Sibirien«, schrieb CRU -Chef Jones im März 2004 an Mann. Dabei ging es offenbar um Baumdaten aus Sibirien, eine Grundlage der Klimakurven. Später sollte sich herausstellen, dass Jones ’ CRU -Gruppe die Sibirien-Daten wohl tatsächlich falsch gedeutet hatte. Die Autoren der von Jones abgelehnten Studie vom März 2004 lagen demnach richtig. In einem anderen Fall jedoch hatten Jones und Mann die Mehrheit der Wissenschaftler auf ihrer Seite. 2003 relativierte eine Studie im Fachmagazin Climate Research die derzeitige Warmphase bezüglich der mittelalterlichen Wärmeperiode vor 1000 Jahren.
    Klimaskeptiker feierten die Studie. Die meisten Experten hielten die Arbeit allerdings für methodisch mangelhaft. Doch wie hatte sie dann von den Gutachtern akzeptiert werden können? »Die Skeptiker haben das Magazin gekapert«, folgerte Michael Mann in einer E-Mail am 11. März 2003. Der Einfluss der Gegner müsse gestoppt werden. Daraufhin holte das Hockey-Team zu einem Gegenschlag aus, der das Magazin Climate Research schwer erschüttern sollte: Mehrere Herausgeber legten ihre Ämter nieder. Derartigen Einfluss hatten die Skeptiker nicht. Wenn sich herausstellte, dass alarmistische Klimastudien mangelhaft waren – und es gab diverse Fälle –, wurden ähnliche Konsequenzen nie bekannt. Dass jedoch selbst der Einfluss von Mann und Jones begrenzt war, zeigte sich aber 2005, als die unerbittlichen Hockeyschläger-Kritiker Ross McKitrick und Stephen McIntyre Studien im wichtigsten geowissenschaftlichen Fachblatt Geophysical Research Letters (GRL) unterbringen konnten. »Es scheint, als hätten die Gegner einen Zugang zu GRL «, schrieb Mann an seine Kollegen. »Wir können es uns nicht erlauben, GRL zu verlieren.« Mann entdeckte, dass ein Herausgeber einst an derselben Universität wie der gefürchtete Klimaskeptiker Patrick Michaels gearbeitet hatte – und stellte eine Verbindung her: »Ich glaube, nun wissen wir«, schrieb er am 20. Januar 2005, wie diverse Skeptikerstudien »in GRL publiziert werden konnten«. Sogleich wurde diskutiert, wie man den GRL -Herausgeber – es handelte sich um den Klimaforscher James Saiers – loswerden könnte. Tatsächlich gab Saiers ein Jahr später sein Amt auf, angeblich freiwillig. »Es scheint, das GRL -Leck wurde gestopft«, schrieb Mann in einer E-Mail erleichtert ans Hockey-Team.
    Climategate scheint die Kritik zu bestätigen, dass das Wissenschaftssystem immer wieder Kartellen Vorschub leistet. Der Soziologe Peters warnt allerdings vor einer Überinterpretation der Affäre. Die Entstehung von Bündnissen sei in allen Wissenschaftsbereichen üblich: »Die interne Kommunikation aller Gruppen unterscheidet sich von der Fassade.« Man dürfe die Innenwelt einer Gruppe nicht mit den Maßstäben der Außenwelt messen, meint auch Weingart. Kontroversen bildeten schließlich die Basis der Wissenschaft, dabei »komme es unweigerlich zu Abschirmung und persönlichen Konflikten«. Die Lagerbildung in der

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