Nachhaltig tot (German Edition)
Aufgaben … sagen wir … privatisiert. Leute, die für Geld arbeiten, ohne zu fragen. Lassen wir es dabei, es muss Sie nicht weiter interessieren.“
„Was erwarten Sie von uns?“, fragte Beatrice weiter. „Dass wir regierungsfeindliche Agitationen veröffentlichen? Einen Staatsstreich vorbereiten? Wie Sie selbst sagen: Ich lasse mich und meinen Journalismus nicht einseitig politisieren.“
„Journalismus ist im Endergebnis immer politisch, aber wir sollten jetzt keine Grundsatzdiskussionen führen. Ich frage Sie, ob Sie gewillt sind, sich der Angelegenheit zu widmen und gewisse … Risiken einzugehen? Vorher kann ich Ihnen keine weiteren Informationen geben.“
„Und wenn wir ablehnen?“
„Herr Kronwitter, dann zahle ich den Kaffee, natürlich sind Sie meine Gäste, und wir sehen uns nie wieder. Der Fall ist dann für uns abgehakt.“
„Können Sie uns wenigstens einen kleinen Hinweis geben, um was es überhaupt geht? Wir können nicht die Katze im Sack kaufen. Apropos kaufen: Was springt eigentlich für uns dabei raus?“
„Ihre Zeitung wird enorm davon profitieren. Sie werden aus dem Schattendasein einer regionalen Tageszeitung heraustreten, das kann ich Ihnen versichern. Wir sind allerdings auch bereit, Ihre persönlichen Bemühungen, falls …“
„Sie meinen, falls wir es überleben.“
„Falls das Ihr Engagement beflügelt, wollte ich sagen. Eine Anzahlung hätte ich griffbereit.“
Der Mann schaute sich kurz und unauffällig um und zog aus der Innentasche seiner Jacke ein Bündel so weit heraus, dass Kronwitter erkennen konnte, dass es sich um einen Packen Fünfhunderteuronoten handelte. Nach einem kurzen Stillhalten schob der Russe das Päckchen in die Jacke zurück.
„Wie viel ist das?“, fragte Beatrice.
„Fünfzigtausend fürs Erste, der Rest nach Veröffentlichung.“
„Sie lassen sich die Sache einiges kosten“, sagte Kronwitter und schaute seinem Gegenüber tief in die Augen.
„Es geht um so viel Geld, dass dieser Betrag geradezu lächerlich erscheint“, sagte der Russe und hielt dem Blick des Journalisten mit eiskalten Augen stand.
Kronwitter wusste, dass Russen, egal auf welcher Seite sie standen, nicht viel Federlesens machten, wenn sie nicht bekamen, was sie wollten. Es war töricht, darauf zu vertrauen, dass der Fremde sein Versprechen halten und sie bei einer Ablehnung in Ruhe lassen würde.
„Haben wir überhaupt eine Wahl?“, fragte er.
„Hm, sagen wir einmal so: Sie würden sich keinen großen Gefallen tun, vor allem Ihrer Kollegin nicht.“
„Das ist Erpressung“, rief Beatrice lauter, als es in der Situation angebracht war.
„Hören Sie zu, gnädige Frau!“, sagte der Russe scharf. „Wir können es uns nicht leisten, für den Friedensnobelpreis zu kandidieren. In Russland verhungern die einen, weil die anderen in Gold baden. Wir haben keine Zeit für Sentimentalitäten.“
„Jetzt wissen wir wenigstens, woran wir sind“, erwiderte Kronwitter. „Schießen Sie los, wir machen den Job. Bist du dabei, Beatrice?“
„Du bist der Boss, Freddie.“
„Okay, dann erzählen Sie mal, Iwan, oder wie immer Sie heißen mögen.“
„Nun gut, eine weise Entscheidung. Ich versuche, mich kurz zu fassen. Wenn Sie Fragen haben, warten Sie bitte, bis ich fertig bin.“
Beatrice Bernstein zückte ihren Stenoblock und machte sich bereit, Stichpunkte des Gesprächs zu notieren, aber der Russe wehrte ab.
„Keine Aufzeichnungen! Sie werden statt des Blocks Ihren Kopf und Ihr Gedächtnis bemühen müssen.“
„Wenn mir die gegnerische Seite den Block klaut, ist das allemal die bessere Lösung“, entgegnete Beatrice trocken.
„Für Sie schon, für uns nicht“, antwortete der Russe kühl.
Missmutig ließ Beatrice ihren Stift fallen.
„Russland und seine Gasvorkommen“, begann der Russe. „Eine lange Geschichte. Deutschland importiert pro Jahr etwa einhundert Milliarden Kubikmeter Gas zu einem geschätzten Preis von über zwanzig Milliarden Euro. Russland exportiert im gleichen Zeitraum das Doppelte, unter anderem nach Deutschland. Wie Sie wissen, ein riesiges Geschäft, an dem Gaspol, die Deutsche Gas, Leitungsbetreiber, der Staat, Zwischenhändler und andere partizipieren. Erst recht, seitdem der Transport über die North-Stream-Pipeline erfolgen kann. Ihr ehemaliger Regierungschef und unser mächtigster Mann im Staat haben da einen erstaunlichen Schulterschluss auf der Weltbühne demonstriert. Bis hierhin ist das nichts Neues, aber hinter den
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