Nachhaltig tot (German Edition)
Kulissen laufen die Dinge anders, als Sie sich das vorstellen können. Und genau darum geht es! Es geht darum, die Machenschaften aufzudecken, die dazu führen, dass Ihr Volk betrogen und mein Volk beraubt wird. Sie müssen nämlich wissen, dass …“
Eine Stunde lang erzählte der Russe von den Abmachungen jenseits der Gaslieferverträge, von Liefermengen, Manipulationen, Geldwäsche, Schmiergeldern und dubiosen Figuren hinter den Kulissen. Als er geendet hatte, schwiegen die beiden Journalisten betroffen, kaum in der Lage, das Gehörte zu begreifen. Kronwitter fand als Erster die Sprache wieder.
„Jetzt brauche ich einen Cognac im Kaffee, das muss ich erstmal verdauen. Wenn das rauskommt, kann die Regierung den Hut nehmen und Ihre noch dazu.“
„Bei Ihnen ist das einfacher als bei uns. Aber trösten Sie sich, in anderen europäischen Ländern wird das nicht anders laufen, nur können wir es dort nicht beweisen. Das System funktioniert nur, wenn alle mitmachen, ansonsten müssten die Gaspreise in den Ländern viel unterschiedlicher sein. Es muss ein globales Spiel sein, aber das ist nur eine Schlussfolgerung ohne Beweise.“
„Womit wir beim wunden Punkt des Problems wären“, entgegnete Beatrice. „Wie können Sie Ihre Behauptungen beweisen?“
„Frau Bernstein, wir hätten Sie nicht ausgewählt, wenn wir nicht damit gerechnet hätten, dass Sie genau diese Frage stellen. Natürlich haben wir Beweise. Monatelang haben wir warten müssen, bis wir sie in Händen halten konnten. Einige von uns haben Kopf und Kragen riskiert, um an das Material ranzukommen. Nicht alle hatten das Glück, mit heiler Haut oder zumindest lebend davon zu kommen. Von denen, die einfach von der Bildfläche verschwinden, hört die Öffentlichkeit nichts. Die Welt kümmert sich nur um die prominenten Opfer, die in Schauprozessen verurteilt und in die Arbeitslager verfrachtet werden.“
„Sie meinen Wladimir Soltchovitch und Anna Bulikova?“, fragte Beatrice.
„Nennen Sie keine Namen! Es würde die betreffenden Personen, ihre Freunde und Verwandte in höchste Lebensgefahr bringen.“
„Was sind das für Beweise?“, bohrte Kronwitter weiter.
In den nächsten Minuten studierten die Journalisten Fotos, Schriftsätze und Tabellen, die der Russe aus der Tasche gezogen hatte, stellten Fragen nach der Bedeutung der Aufnahmen, ließen sich Hintergründe erklären und versuchten, die Informationen in einen Zusammenhang zu bringen. Nach und nach wurde ihnen bewusst, welche Dimensionen dieser Skandal hatte, und wie gefährlich es war, sich mit dieser Thematik zu beschäftigen. Aber nun gab es kein Zurück mehr, sie hatten ihre Entscheidung getroffen. Nach zehn Minuten packte der Russe die Unterlagen ein und ließ sie wieder in der Jackentasche verschwinden.
„Diese Unterlagen werden in dem Augenblick ins Internet gestellt, wenn Ihr Artikel erscheint. In Ihrem Bericht verweisen Sie auf einen Link. Ich werde Ihnen die Internetadresse kurz vor der Veröffentlichung angeben. Ihr Artikel soll heute in einer Woche erscheinen. Zwei Tage vorher werde ich Sie anrufen oder Ihnen die Adresse auf anderem Weg mitteilen lassen. Das alles muss nahezu zeitgleich erfolgen. Wenn die Information im Netz verfügbar ist, wird sie dort nur eine kurze Verweildauer haben. Die gegnerische Seite hat ihre Spitzel auch im Web, und die Seite wird binnen weniger Stunden gelöscht sein. Mit Hilfe Ihres Artikels werden genügend Leser darauf aufmerksam gemacht und es werden Kopien gezogen, so dass sie nicht mehr geleugnet werden kann. Die Veröffentlichung im Internet ist für die Leute, die sie einstellen, höchst riskant. Ihnen wird danach nur wenig Zeit bleiben unterzutauchen. Bringen Sie den Artikel als Aufmacher auf der Titelseite. Sie wissen, was Sie zu tun haben. Ich muss jetzt gehen.“
Der Russe rief nach der Bedienung und bat um die Rechnung. Als er nach dem Bezahlen Anstalten machte zu gehen, fasste ihn Beatrice am Arm.
„Ich denke, Sie sollten etwas hier lassen, was für uns bestimmt ist.“
„Natürlich! Es war nicht meine Absicht, Sie übers Ohr zu hauen. Sehen Sie es als Test. Ich weiß jetzt, dass Sie es auch wegen des Geldes tun.“
Er griff in die Jackentasche, zog den Umschlag heraus und legte ihn auf den Tisch.
„Keine Sorge“, sagte er. „Die Scheine sind weder registriert, noch fortlaufend nummeriert. Tun Sie sich den Gefallen und warten mit dem Ausgeben, bis der Artikel erschienen ist. Andernfalls laufen Sie Gefahr, die
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