Nachhaltig tot (German Edition)
Energieministerium zu schaffen. Dem widersprachen etliche Vertreter der Umweltaktivisten mit dem Argument, dass es grundsätzlich richtig sei, Kompetenzstreitigkeiten zwischen Umwelt- und Wirtschaftsministerium zu vermeiden. Die Gesamtverantwortung sollte jedoch dem Umweltministerium zugesprochen werden, das man dann in Klimaministerium umbenennen könnte.
Als Thies Otten neben seinem Sohn Helge und Hubert Loegmann, dem Vorsitzenden des Gemeinderats Molbergen, Platz nahm, kehrte allmählich Ruhe im Saal ein. Hendrik Willen und Anja Krause postierten sich am Saaleingang und konnten von dort das Geschehen überblicken. Sie gingen davon aus, dass sich der Absender des Drohbriefes unter den Anwesenden befand, und waren daher darauf gefasst, jederzeit einzuschreiten, sobald der Landwirt in Gefahr geriete.
Hubert Loegmann erhob sich und eröffnete die Bürgerversammlung mit einer kleinen Ansprache. Nachdem er ein paar einführende Worte zum Anlass des Zusammenkommens verloren und sich im Namen aller bei dem Landwirt Thies Otten für die Ausrichtung bedankt hatte, übergab er das Wort an Ludger Wolf, seinen Stellvertreter im Rat, in dessen Ressort diese Angelegenheit fiel und der die Moderation des Abends übernehmen sollte. Wolf führte in kurzen Zügen in das Thema ein und stellte dann unmissverständlich klar, warum die Gemeinde dem Bauantrag für Ottens zweite Biogasanlage zugestimmt hatte: Biogas sei politisch gewollt und würde großzügig gefördert. Niedersachsen, und insbesondere der Landkreis Cloppenburg, nahm hier eine Vorreiterrolle ein. Augenblicklich wurde es wieder laut im Saal. Widersprüche und Gegenargumente schlugen Wolf entgegen und er hatte größte Mühe, die Diskussion in geordneten Bahnen zu führen. Er erteilte zunächst Claudia Gerdes, einer Anwohnerin, das Wort.
„Ludger, wir alle wissen, dass dich die Angelegenheit persönlich betrifft. Wir haben größten Respekt davor, wie professionell du mit der Sache umgehst und hier nicht deinen eigenen Standpunkt, sondern den der Gemeinde vertrittst.“
Anja Krause sah Willen fragend an.
„Seine Frau ist damals bei der Explosion in Ottens Anlage in Molbergen ums Leben gekommen.“
Die Polizistin hörte der Anwohnerin jetzt aufmerksam zu.
„Wir verstehen auch die Beweggründe für die Gemeinde. Unabhängige Energieversorgung und Gewerbesteueraufkommen sind aus Sicht der Gemeinde wichtig. Aber, Ludger, denke bitte an uns Anwohner, die wir ganz direkt durch den Bau der zweiten Anlage betroffen sind!“
„Ganz genau!“, ergänzte Heinrich Budde, ebenfalls Anwohner und Sprecher der Bürgerinitiative, die sich gegen den Bau der Biogasanlage gebildet hatte. „Um es klar vorweg zu sagen: Wir Anwohner sind nicht generell gegen eine zweite Anlage, wir sind nur gegen den Standort dieser Anlage. Nach jetziger Planung würde sie sich zu nah am Wohngebiet befinden und durch die enorme Geruchsbelästigung die Wohnqualität der Siedlung ganz erheblich mindern.“
Andreas Gerdes, der Mann von Claudia Gerdes, stützte Buddes Argumentation: „Dazu kommt noch das erhöhte Verkehrsaufkommen. Tag und Nacht der Lärm der Laster, die die Anlage anfahren, um den Mais hinzubringen und die Gärreste wieder abzuholen. Das hält auf Dauer niemand aus.“
„Scheiß Biogasanlage! Drei Tote in Molbergen sind genug!“, schrie Paula Liebrecht, eine junge und sehr radikale Umweltaktivistin, in die Runde. Mit ihrer Äußerung entfachte sie die heftige Diskussion erneut. Ludger Wolf hatte große Mühe, die erhitzten Gemüter zu beruhigen.
„Das ist doch die, die letztens die Stinkbomben in Molbergen schmiss“, flüsterte Anja Krause Willen zu, der ihr das mit einem kurzen Nicken bestätigte.
„Du Ökofundamentalistin! Du übertreibst es mit deinen blöden Aktionen und schadest damit unserer Initiative!“, rief jemand laut aus der bürgerlichen Mitte.
Jemand anderes stimmte dem zu: „Wir haben’s satt, dass du uns alle mit deiner Grün-Religion zu missionieren versuchst. Werde mal lieber erwachsen!“
Paula Liebrecht wollte aufspringen, konnte aber von Arne Andersen, einem als gemäßigt bekannten Naturschützer, daran gehindert werden. Er wollte in der Sache vermitteln und gab der Aktivistin grundsätzlich recht, wobei er natürlich radikale Aktionen nicht gutheißen wollte.
„Paula übertreibt es mit ihren Aktionen vielleicht ein wenig, dennoch hat sie im Grunde recht. Havariefälle in Biogasanlagen sind leider nicht wegzudiskutieren. Hinzu kommt die negative
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