Nachhaltig tot (German Edition)
Dieser schob hastig Thies Otten zur Seite und begann mit schneller Routine die Versorgung des Verletzten. Willen kam hinzu und beobachtete die Wiederbelebungsversuche des Arztes. Nach einer Weile blickte dieser auf und schüttelte dem Polizisten zugewandt mit dem Kopf.
Danach schienen die Handgriffe des Arztes von keiner Hast mehr getrieben zu sein.
* * *
Da hat es doch glatt jemanden erwischt. Und dann auch noch den falschen. Aber gut, Unfälle passieren nun mal.
Der Knall hat jedenfalls alle geweckt. Das ist gut so. Damals sind ebenfalls Unschuldige gestorben. Mach also weiter, dein Plan ist todsicher.
Aber es war knapp diesmal. Der Polizist hätte dich beinah geschnappt. Ganz nah war er dir schon, im Kuhstall. Er hätte nur noch einen Schritt zur Seite machen müssen, in der Milchkammer nur hinter die Tür gucken müssen, dann hätte er dich gehabt. Ob er in dem Moment deinen Herzschlag spüren konnte, so wie du seinen? Du konntest sein Rasierwasser riechen. Noch mal wirst du nicht so viel Glück haben.
Du musst besser aufpassen. Dir den Polizisten vom Hals halten. Aber wie? Du brauchst ihn ja noch, deinen Freund und Helfer. Doch eigentlich musst du ihm helfen, damit er das Richtige tut. Er sieht es längst, aber er traut sich noch nicht. Zu loyal, zu aufrichtig, zu brav. Nur noch einen kleinen Schritt, dann begreift er, was gut und was schlecht, was richtig und was falsch ist. Er kann es für das Mädchen tun. Er wird es tun, ganz sicher. Der Bauer ist auch sein Feind. Der grüne Feind. Das weiß er genau.
Der Bauer allein trägt die Schuld. Aus Holland kamen Schweinereste auf seine Anlage. Gar nicht gut. Er hätte sie nicht bestellen müssen. Dann wären sie noch am Leben. Dann wäre … SIE … noch am Leben.
Sie wurde von allen geliebt. Von dir am meisten. Du hast wahrhaftig um sie getrauert und ihr etwas versprochen. An dem Tag, als es so heftig geregnet hat. Der Tag des Begräbnisses. Leise, ganz leise hast du deinen Schwur getan. Niemand hat es gehört. „Schütze die anderen!“, hat sie dir aus der Ferne zugerufen. Das hat niemand außer dir gehört. Du hast „Ja!“ gesagt. Das war dein Schwur.
Und Braveheart? Der Polizist weiß doch, dass der Bauer betrunken Auto gefahren ist. Sein Mädchen hatte kein Licht am Fahrrad. Die Kurve. Der Nebel. Der Bauer fuhr zu schnell und passte nicht auf. Der böse Bauer, fährt noch heute nach dem Kohlessen betrunken nach Hause. Hat nichts gelernt. Wird es bald büßen.
Das Böse ist in ihrer Mitte. Ganz nah. Ganz in Grün. Trägt immer grüne Stiefel und grüne Mütze, so wie du manchmal. Wählt bestimmt auch grün. Ist aber nicht grün! Ist … nicht … grün.
Den grünen Tod hat er ins Dorf gebracht. Doch das ist ihm egal. Denn der 100-Euro-Schein ist auch grün. Er will immer mehr davon. Ist nie zufrieden. Noch einen und noch einen. Noch eine Anlage und dann noch eine Anlage. Versteckt sich hinter grünem Strom, für den er Mais und Schweinedärme vergast. Biomasse soll das werden. Die Toten von damals sind auch schon Biomasse. Vergoren und zersetzt unter der Erde. Das Mädchen, die schöne Frau. Der Holländer und der Arbeiter.
Werde jetzt bloß nicht sentimental. Behalte einen kühlen Kopf! Lass dich nicht von deinem Ziel abbringen. Du weißt, es ist wichtig und richtig. Man muss die Umwelt retten. Gott hat sie erschaffen und wir dürfen sie nicht zerstören. Im Großen nicht und im Kleinen auch nicht.
Mach wie geplant weiter.
Der grüne Tod wird den Bauern in seiner eigenen Anlage ereilen. Unsichtbar, geruchslos, schmerzlos.
Worauf wartest du noch?
* * *
Es hatte nicht lange gedauert, bis Hendrik Willen die Umweltaktivistin verhaftet hatte. Paula Liebrecht wurde zum Verhör von einem Anwalt begleitet. Es war ganz offensichtlich nicht das erste Mal, dass der Anwalt radikale Aktivisten vertrat. Er wusste genau, wie er vorzugehen hatte. Die schmierige und selbstsichere Art des Juristen kotzte Willen mächtig an. Aber er musste sich selbst eingestehen, dass er im Moment keinerlei Beweise für die Täterschaft von Paula Liebrecht hatte. Die Explosionsstelle wurde noch untersucht, von Paula konnten dort bislang noch keine Spuren sichergestellt werden. Außer dem Umstand, dass sie zum Tatzeitpunkt auf dem Hof war, konnte Willen ihr nichts vorhalten. Er konnte noch nicht einmal mit Bestimmtheit sagen, dass Paula aus der Milchkammer geflüchtet war. Gesehen hatte er sie nämlich nicht. Das Anbringen der Parolen gab Paula zu. Doch das erfüllte
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