Nachhaltig tot (German Edition)
Sie wollte sich mit aller Kraft widersetzen, doch Hände und Füße gehorchten ihr nicht mehr. Sie spürte ihren Herzschlag, der in ihren Ohren dröhnte. Dann versank sie in einer abgrundtiefen Leere.
* * *
Gleich hast du es geschafft! Braveheart muss sich beeilen – der Bauer macht nicht mehr lange.
Jetzt musst du dich noch schnell um die Polizistin kümmern. Braveheart wird gleich da sein. Dann wird er sich entscheiden müssen. So oder so – du machst, dass es keine Gewinner gibt. Ein Happy End gibt’s nur im Film. Das Leben ist manchmal unfair. Wie damals, da gab es auch kein Happy End.
Rasch, die Polizistin wird gleich wieder wach …
* * *
Mit gezogener Pistole kam Polizeikommissar Willen näher. Er sah den Benz und erkannte Thies Otten auf dem Fahrersitz. Der Landwirt bewegte wie in Zeitlupe seinen Kopf. In dem Moment hörte Willen eine weibliche Stimme um Hilfe rufen. War das seine Kollegin? Wenn es ihre Stimme war, so klang sie anders als sonst. Die Stimme rief erneut und jetzt war sich Willen sicher, dass es Anja war. Er konnte sie aber nicht sehen.
„Anja?“, rief Willen laut zurück.
„Hier!“ Es war mehr ein Krächzen als ein Rufen.
Der Polizist rannte am Auto vorbei hinter das Blockheizkraftwerk, von wo aus er den Ruf vermutete. Ihm stockte beim Anblick seiner Kollegin der Atem. Anja Krause war stehend an einem Geländer gefesselt. Ihr Kopf steckte in einem dunklen Sack und ihr Oberkörper war in eine alte Decke eingehüllt, die mit einer Kordel zusammengehalten wurde.
„Hendrik?“, winselte Anja.
„Ich bin hier. Warte, ich nehme dir den Sack vom Kopf.“
„Hendrik, sei vorsichtig. Ich habe da was um den Bauch.“
Als Willen ihr Sack und Decke abnahm, blickte er entsetzt auf einen Sprengstoffgürtel, den seine Kollegin am Leibe trug. Er sah mehrere Sprengladungen, die mit dünnen Drähten verbunden waren. Zwei farbige, etwas dickere Drähte verliefen quer über die Brust und waren mit den jeweiligen Westenhälften verbunden. Die sollen wohl die Explosion auslösen, sobald man die Weste ablegt, dachte Willen.
„Hol den Otten aus seinem Auto raus, Hendrik. Der erstickt sonst da drin.“
„Wer hat dir das angetan?“
Willen war völlig ruhig in diesem Moment und sah sich die farbigen Drähte ganz genau an.
„Keine Ahnung, ich habe niemanden erkannt. Es ging alles so schnell. Du musst dich beeilen, Hendrik, der Otten macht’s nicht mehr lang.“
Willen machte keinerlei Anstalten, sich um den im Wagen eingeschlossenen Landwirt kümmern zu wollen.
„Hendrik! Du musst ihn da rausholen, das ist deine Pflicht als Polizist!“
Aber Willen hatte bereits sein Leatherman-Mehrzweck-Werkzeug in der Hand. Die junge Kommissaranwärterin sah auf ihren Kollegen herab, der vor ihr kniete und vorsichtig die Weste untersuchte. Nicht eine Schweißperle konnte sie auf seiner Stirn erkennen. Der Willen wieder, dachte sie, jetzt wächst er über sich hinaus.
„Spiel hier nicht MacGyver, Hendrik, geh und rette den Otten!“
Doch da hatte Willen die Zange bereits an einen der Drähte angesetzt. Die Polizistin hielt die Luft an. Es machte Klick und nichts weiter geschah.
„Hendrik!“, schrie Anja, „Stopp, nein, nicht noch den zweiten Draht!“
Willen sah seiner Kollegin tief in die Augen, als er mit der Zange den zweiten Draht berührte. Erst jetzt wurde ihm bewusst, welch schöne blaue Augen seine Kollegin hatte. Er hätte es ihr ruhig mal sagen sollen.
Klick.
* * *
Ja, auf Braveheart ist Verlass!
Ganz so, wie du es arrangiert hast.
Armer, braver Polizist, hat wenigstens noch die richtige Entscheidung getroffen. Hatte die Wahl zwischen Gut und Böse. Der Ministerpräsident wird ihm sicher einen Orden auf sein Grab legen.
Jetzt geh aber schnell zum Auto und sieh dir den Bauern noch mal an. Sieh ihm zu, wie er erstickt. Braveheart kann ihn nicht mehr retten. Geh ruhig hin und sieh dir an, wie ihm die Luft wegbleibt. Wie sich Beklemmung und Angst in ihm breitmachen. Panik, Hilflosigkeit, Ausweglosigkeit. Sieh dir seine Augen an! Du kannst es in seinen hervorstehenden Augen sehen. Guck, jetzt wird er bewusstlos. Langsam, aber unaufhaltsam. Die Augenlider werden immer schwerer, gleich fallen sie ihm zu.
Das Gehirn arbeitet sicher noch. Zeigt ihm jetzt den Film seines Lebens. Rasend schnell wird er alles sehen. Das Gute. Das Schlechte. Das Schöne.
Das schöne, helle Licht.
Ja, siehst du das helle Licht, Bauer? Gleich wird dein Herz aufhören zu schlagen. Dann ist alles aus und
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