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Nachhaltig tot (German Edition)

Nachhaltig tot (German Edition)

Titel: Nachhaltig tot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Brabänder , Karin Mayer
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Sie hier?“, fragte Frank barsch.
    Mir war schon wiederholt aufgefallen, dass er in Schocksituationen vollkommen entspannt reagierte. Während bei mir sofort etwas aussetzte und ich zu keiner Handlung mehr fähig war, trugen bei ihm solche Ereignisse geradezu dazu bei, dass er mit vollkommener Klarheit reagierte.
    Der Mann hielt eine Waffe auf uns gerichtet. Er war ganz in Schwarz gekleidet und trug eine Sturmhaube. Ich versuchte den aufsteigenden Schrei in meiner Kehle zu unterdrücken. Als Frank ein barsches „Nun?“ hinterherschob, zog er die Sturmhaube ab.
    „Ich bleibe hier“, sagte er leichthin. „Bis sie aufgehört haben, mich zu suchen.“
    Frank lachte trocken auf. „Machen Sie sich nicht lächerlich“, sagte er.
    „Bin ausgebrochen“, sagte der Mann ungerührt, „25 Jahre ohne Bewährung waren mir für fünffachen Mord zu lang, und so bin ich vorzeitig gegangen. Ich hoffe, hier ist das Essen besser und das Bett weicher.“ Er sah uns ausdruckslos an.
    Mir wurde schlecht, ich wäre gerne auf die Toilette gelaufen.
    „Nun geben Sie mal nicht so an“, sagte Frank. „Sie packen jetzt Ihre Waffe weg und verschwinden.“
    Der Mann verzog keine Miene. „Die Befehle erteile ich.“ Er hielt Frank die Pistole unter die Nase, der nun doch erschrak – ich konnte die Angst aus seinen Poren riechen.
    Und so zog der Mann, den wir hier Maik nennen wollen – seinen richtigen Namen haben wir nie erfahren –, bei uns ein.
    Wir richteten ihm das Bügelzimmer ein. Die Schlüssel zu den anderen Zimmern hatten wir verloren, weil wir sie beim Einzug vor den Zwillingen versteckt und dann nicht wiedergefunden hatten.
    Er besprach mit uns noch in der ersten Nacht, wie dieses vorübergehende Arrangement, wie er es nannte, laufen würde. Wir würden unser normales Leben weiterführen, allerdings würde immer einer von uns mit ihm im Haus bleiben, damit keiner von den anderen außerhalb auf dumme Gedanken käme. Sollte jemand von uns die Polizei verständigen, würde er denjenigen, der mit ihm zu Hause geblieben war, sofort liquidieren. Er sagte tatsächlich „liquidieren“.
    „Wir sind Doppelverdiener“, wandte ich ein, „die Kinder gehen zur Schule.“
    „Oh“, sagte er überrascht, „ich dachte, Sie“ – er wandte sich an mich – „wären immer zu Hause.“
    „Es sind Schulferien“, sagte ich verärgert, „ich habe mir Urlaub genommen.“
    Er kaute an seiner Unterlippe, offenbar verwirrt über den Fauxpas, der ihm unterlaufen war.
    „Dann kündigen Sie halt“, sagte er.
    Ich schnappte nach Luft. „Spinnen Sie?“, fragte ich.
    Es ist bemerkenswert, wie schnell man zu seiner alten Schnodderigkeit zurückfindet, selbst wenn eine Waffe auf dem Tisch zwischen den Kaffeetassen liegt.
    „Wer verdient mehr, er oder Sie?“
    „Er“, sagte ich widerwillig.
    „Na, also“, meinte er, „dann bleiben Sie zu Hause. Ich habe oben am Saupurzel und hier mehrere Familien observiert, alles Doppelverdiener, sieht man schon an den Autos vor der Tür, ich habe keine Lust weiterzusuchen.“
    Damit war der Fall für ihn erledigt.
    Ich kündigte tatsächlich, aber erst, als er mir befohlen hatte, die Zwillinge aus ihren Betten zu holen, während er mit Frank in der Küche blieb, und diese dann schreckensstarr mit uns am Tisch saßen, ihre Blicke abwechselnd zwischen dem Mann, seiner Waffe und uns schweifen lassend.
    Ich formulierte das Kündigungsschreiben noch am Küchentisch.
    Wenn ich zurückdenke, kommt mir alles so unwirklich vor. Ich hätte mit dem Entschluss bis zum nächsten Morgen warten sollen, bei Tageslicht bekommen die Dinge eine andere Perspektive. Aber wenn ich es mir recht überlege, erscheint mir das ganze Jahr mit Maik wie ein seltsamer Traum. Was war in uns gefahren, dass wir uns so schnell bereit erklärten, ihn zu beherbergen? Sicherlich hätte es eine andere Lösung gegeben.
    Es war nicht so, dass wir nie über andere Möglichkeiten sprachen, meistens abends im Bett, im Flüsterton, aber wir verwarfen alle Ideen als zu gefährlich. „Sondereinsatzkommando“, schlug Frank vor. „Alles Knalltüten“, widersprach ich, „dabei kommt meistens jemand zu Tode, und selten der Täter. Wenn es einen von den Zwillingen treffen würde, könnte ich mir das nie verzeihen.“ Frank nickte. „Stürmen das Haus und schießen wild herum“, murmelte er, „das geht bestimmt schief.“
    Also richteten wir es uns mit unserem neuen Mitbewohner ein. Er hatte einen ausgeklügelten Plan. Meistens blieb ich mit

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