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Nachhaltig tot (German Edition)

Nachhaltig tot (German Edition)

Titel: Nachhaltig tot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Brabänder , Karin Mayer
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ihm zu Hause, arbeitslos, wie ich war, und auch deswegen, weil ich keinem von den Kindern zumuten wollte, mit ihm alleine zu bleiben. Frank ging wie gewohnt zur Arbeit, und Jan und Tabea gingen nach den Ferien wieder zur Schule. Wir trugen ihnen nicht auf, niemandem von Maik zu erzählen, das wäre sinnlos gewesen, sie waren in der ersten Klasse, sie hätten sich eh verplappert. Sie erzählten von ihm, keine Frage, es glaubte ihnen nur niemand. Die anderen Kinder „erfanden“ ebenfalls verbrecherische Mitbewohner, und die Lehrer taten Maik als imaginären Spielgefährten ab. Nur die Klassenlehrerin rief mich einmal an und fragte, ob ich eigentlich das Fernsehprogramm meiner Kinder überwachte. Nein, sagte ich, ich halte nichts von Verboten, und knallte den Hörer auf.
    Es ist erstaunlich, oder vielleicht sollte ich besser sagen: erschreckend, wie wenig Menschen voneinander mitbekommen. Karlstadt ist eine 7000-Einwohner-Stadt, ein Kaff sozusagen, zudem wohnen wir im Wurzgrund, einer Neubausiedlung, in der man sich gegenseitig in die Fenster gucken kann, trotzdem bekam es über ein Jahr lang niemand mit, dass wir einem Verbrecher Unterschlupf gewährten.
    Ich vernachlässigte unseren Garten, weil ich mich nicht zu weit von Maik und seiner Pistole entfernen durfte. Der Vorgarten hatte zwar auch vorher nicht gerade ausgesehen wie mit einer Nagelschere gepflegt, trotzdem bin ich mir sicher, dass es unseren Nachbarn aufgefallen sein muss, wie unsere Beete, die ich immerhin mit viel Elan angelegt hatte, plötzlich zuwucherten.
    Einkäufe konnte ich nicht mehr erledigen, die musste Frank auf dem Heimweg von der Arbeit besorgen.
    Manchmal sah ich aus dem Fenster auf das Zementwerk, dessen Anblick mich sonst abgestoßen hatte, jetzt aber mit Sehnsucht erfüllte. Es hatte den Duft der großen weiten Welt. Abends war es beleuchtet wie eine Festung. Nur war ich es, die sich in einer Festung befand.
    Alle paar Wochen kam ich mal aus dem Haus. Wenn wir zu Geburtstagen oder Partys eingeladen wurden, ging einer von uns hin, während der andere sich mit Grippe oder Kopfschmerzen entschuldigen ließ. Es fiel niemandem auf, dass wir ein geschlagenes Jahr lang nicht zu zweit, geschweige denn zu viert auftraten.
    Hatten wir am Anfang noch für eine gerechte Verteilung gesorgt, sodass manchmal Frank nachts mit Maik im abgeschlossenen Bügelzimmer blieb, manchmal einer von den Zwillingen, damit Frank und ich unsere nächtlichen nutzlosen Lagebesprechungen führen konnten, so war es bald nur noch ich, die die Nächte mit Maik verbrachte. Frank fühlte sich von seinem Schnarchen gestört und konnte sich tagsüber in der Firma nicht konzentrieren. Den Zwillingen mutete ich den Aufenthalt mit einem mutmaßlichen Mörder in einem Zimmer nur zwei- oder dreimal zu, dann wurde es mir zu gefährlich.
    Die Monate vergingen, und obwohl eine gewisse Gewöhnung an unsere ungewöhnliche Wohnsituation eintrat, machte ich mir langsam Gedanken, wie lange es wohl noch so weitergehen sollte.
    Wir wollten mal wieder gemeinsam in Urlaub fahren; unsere Eltern lagen uns in den Ohren, dass wir sie mit den Kindern ein paar Tage besuchen kommen sollten. Wir wehrten solche Einladungen elegant ab, aber die Blicke, die wir uns über den Esstisch zuwarfen, während Maik genüsslich unsere Lasagne – die Pistole neben dem Teller – verzehrte, zeigten, dass unsere Nerven blank lagen.
    Unser Eheleben litt nicht nur unter der Beherbergung eines Killers, sondern auch unter der nächtlichen Trennung. Frank begann, mir zu misstrauen. Meine vielen gemeinsamen Nächte mit Maik machten ihm zu schaffen.
    Ich stehe nicht auf blonde Männer, erklärte ich ihm, schon lange nicht auf solche, die sich mit einer Waffe hinter dem Ohr kratzen.
    „Vielleicht sollten wir doch einfach die Polizei rufen“, meinte er.
    „Bist du verrückt?“, sagte ich, „nach fast einem Jahr? Da werden wir womöglich noch wegen Beihilfe zum Verbrechen rangekriegt.“
    Wir hatten alles getan, um es Maik recht zu machen. Wenn er duschte – Frank hatte ihm ein Brett für seine Pistole über der Duschbrause angebracht –, ließ sich einer von uns mit ihm im Bad einschließen, saß wartend auf dem Klodeckel.
    Wenn Maik auf die Toilette ging, begleitete ihn einer von uns, stand mit dem Gesicht zur Tür.
    Wenn er seine Unterhose wechselte, stand einer von uns daneben, den Blick abgewendet.
    Was mir schließlich die Hutschnur platzen ließ, war unsere Heizkostenabrechnung. Unser Haus war nicht auf dem

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