Nachhaltig tot (German Edition)
Hubschrauber flog in immer enger werdenden Kreisen um mich herum, bis er schließlich über mir schwebte. Da die Dämmerung eingesetzt hatte, richteten sie Suchscheinwerfer auf das Feld, bis ich endlich in ihrem Lichtkegel stand. Nach einer Weile drehte der Hubschrauber ab und das Geräusch wurde leiser. Stattdessen war Hundegebell zu hören, das immer näher kam.
Wie lange es dann noch dauerte, weiß ich nicht, aber es kam der Zeitpunkt, an dem meine Flucht zu Ende war. Ich war völlig fertig, hatte mich auf den Boden gelegt und wartete. Zuerst kamen die Hunde, dann ihre Herren. Dass sie mir Handschellen verpassten und ziemlich rüde mit mir umgingen, lief wie ein Film vor mir ab. Ich kann mich nicht daran erinnern, irgendetwas empfunden zu haben.
Die Gefühle kamen erst wieder, als ich in einem Raum mit kalten weißen Wänden saß und mich ein unglaublich greller Scheinwerfer blendete. Das müssen mindestens fünfhundert Watt gewesen sein, eine unglaubliche Verschwendung! Eine Sechzig-Watt-Birne hätte es auch getan! Trotz des gleißenden Lichts schienen sie mich nicht zu verstehen, aber das beruhte auf Gegenseitigkeit. Ich verstand ihre Fragen nicht, sie nicht meine Antworten.
Ich weiß nicht mehr, was sie fragten, aber ich erinnere mich, dass ich versucht hatte, ihnen alles ganz genau zu erklären.
Dass in zwei Fällen jeweils zwei Menschen dummerweise zum falschen Zeitpunkt am gleichen Ort gewesen seien und so weiter. Und überhaupt liege die Problematik an ganz anderer Stelle: Sie sollten erst mal dafür sorgen, dass sie ihre Umweltprobleme in den Griff bekämen und so weiter. Und wie man in diesem Land mit Ausländern umgehe, sei höchst kritikwürdig und so weiter.
Ich spulte die Argumentationsketten herunter, die ich in den Seminaren der Aktivisten gelernt hatte. Dass man hier von Aktivisten weit und breit nichts sähe, liege wohl daran, dass diese gnadenlos unterdrückt würden, sagte ich. Was für eine Art von demokratischem Verständnis das hier eigentlich sei?
Ich hatte das Gefühl, als hörten sie mir überhaupt nicht zu. Stattdessen fragten sie, wo ich die beiden anderen Leichen entsorgt hätte. Entsorgt! Was für ein Ausdruck! Welche anderen Leichen?
Der Polizeipsychologe erklärte mir, es sei völlig normal, dass einer wie ich seine Taten verdränge, das sei Teil des Krankheitsbildes. Einer wie ich? Krankheitsbild? Keine Ahnung, was er damit sagen wollte.
Mein Anwalt meinte, man wolle mir eventuell etwas in die Schuhe schieben, um die Aufklärungsquote zu heben. Oder ob ich vielleicht doch … an anderer Stelle … Es wäre jetzt an der Zeit, darüber zu reden.
Whatever! Es folgte Befragung auf Befragung, Vorführung auf Vorführung, und die Zeit verging, Monat um Monat. Dann kam einer von der deutschen Botschaft oder vom Konsulat, was weiß ich? Jedenfalls verstand der mich auch nicht.
Irgendwann brachten sie mich nach Kentucky, dort waren die Räume wenigstens nicht so überhitzt wie hier. Dann wieder zurück nach Texas. Was diese Hin- und Herfahrerei an Schadstoffausstoß verursacht, ist abenteuerlich. Sie haben eben kein Gefühl dafür. Dabei war letzten Endes alles für die Katz!
Mit dem Gericht konnte ich mich nicht einigen. Ich sagte „nicht schuldig“, aber die Gegenseite war anderer Meinung. Ihre Umweltprobleme hatten sie damit immer noch nicht gelöst! Völlig verrückt, das Ganze!
Das sind die Stationen, die ich in den letzten zwei Jahren in diesem schrecklichen Land durchlaufen habe. Ich muss zugeben, dass ich mit anderen Absichten und Zielen hierhergekommen bin, und wenn ich Bilanz ziehe, habe ich nicht dazu beitragen können, auch nur eine einzige Kilowattstunde einzusparen. Wie denn auch? Bevor ich die Menschen von der Unsinnigkeit ihres Handelns hatte überzeugen können, waren mir unliebsame Zeitgenossen über den Weg gelaufen, die mich an der Umsetzung meines Vorhabens gehindert hatten. Immerhin hatte ich mich durchsetzen können, wenn auch mit mäßigem Erfolg.
Ob sie mich zum Tode verurteilen werden, wird sich im Laufe des Tages herausstellen, denn auf heute ist die Urteilsverkündung terminiert. Man wird mich rechtzeitig abholen und aus diesem heißen Loch herausholen. Mein Anwalt ist optimistisch, dass sie einen Ausländer nicht final bestrafen, wie er sich auszudrücken pflegt. Falls doch, so hat er mir auf Anfrage erklärt, drohe mir der Tod durch die Giftspritze.
Das hat mich dann doch einigermaßen beruhigt, Hauptsache es ist nicht der elektrische Stuhl. Man
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