Nachricht von dir
nicht mehr mit ins Bistro nehmen und …«
Doch der junge Japaner unterbrach sie.
»Warten Sie – den Namen habe ich schon mal gehört. Haben wir ihm nicht zufällig Blumen geliefert?«
»Ich glaube nicht. An einen solchen Namen würde ich mich erinnern. Und es würde mich wundern, wenn er in Paris wohnen würde.«
Doch Takumi gab nicht nach.
»Haben Sie Ihren Computer dabei?«
Madeline zog seufzend das Notebook aus ihrer Tasche, auf dem auch die Kundendatenbank gespeichert war.
Takumi klappte es auf und gab den Namen LaTulip ein. Es dauerte nicht lange, bis sich ein Fenster öffnete:
George LaTulip
Café Fanfan, 22bis, Avenue Victor-Hugo
75116 Paris
»Ich habe ihm vor acht Monaten dunkelrote Dahlien geliefert. Ein Auftrag, den uns Ihr Kollege Isidor Brocus aus dem 16. Arrondissement weitergeleitet hat. Ich habe die Rechnung auf das Restaurant ausgestellt, darum sagt Ihnen der Name nichts.«
»Und du? Erinnerst du dich an ihn?«
»Nein, ich habe die Blumen bei einem Angestellten abgegeben.«
Madeline traute ihren Augen nicht. George LaTulip hatte nicht nur ein Restaurant eröffnet, sondern lebte auch in Paris. Die Welt ist wirklich ein Dorf.
»Also, lass uns aufbrechen«, erklärte sie. »Du kannst deinen Kebab im Auto weiteressen. Aber wehe, ich finde Fettflecke auf dem Sitz!«
»Fahren wir ins Geschäft?«
»Du fährst ins Geschäft, denn ich glaube, ich werde Fanfan la Tulipe , dem Husar, einen kleinen Besuch abstatten …«
»Und unter welchem Vorwand?«
»Wenn du glaubst, dass ich einen Vorwand brauche, um einen Mann anzusprechen …«
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Kapitel 11
Die Ermittlung
Im Wesentlichen ist der Mensch das, was er verbirgt: Ein elendes kleines Häufchen Geheimnisse.
André Malraux,
Die Nussbäume der Altenburg
,
in »
Der Kampf mit dem Engel
«
San Francisco
Fasziniert starrte Jonathan auf den Bildschirm seines Computers und las zum dritten Mal den Zeitungsartikel.
MADELINE GREENE, DIE ERMITTLERIN IM FALL DIXON, UNTERNIMMT EINEN SELBSTMORDVERSUCH
Guardian.co.uk – 8. Juli 2009
Cheatam Bridge – Einen Monat nach der makaberen Entdeckung, die jegliche Hoffnung, die junge Alice Dixon lebend zu finden, zunichte machte, hat die für die Ermittlungen zuständige Hauptkommissarin Madeline Greene heute Nacht versucht, ihrem Leben ein Ende zu setzen. Sie hängte sich an einem Balken in ihrer Wohnung auf.
Glücklicherweise riss die Kommissarin eine Glasvitrine um. Ihre Wohnungsnachbarin Juliane Wood wachte von dem Lärm auf und griff sofort ein. Nach der ersten ärztlichen Versorgung wurde Madeline Greene ins Krankenhaus Newton Heath eingeliefert.
Nach Auskunft der Ärzte ist ihr Zustand kritisch, aber stabil.
Die Konsequenzen einer strapaziösen Ermittlung
Wie ist dieser Schritt zu erklären? Schuldgefühle? Hyperaktivität? Unfähigkeit, einen aufreibenden Fall ad acta zu legen? Das wäre zumindest ein möglicher Grund. Der Kriminalhauptkommissar von Manchester hat erläutert, Madeline Greene sei krankgeschrieben gewesen, seit sie von Alice Dixons (14) Tod erfahren habe. Das Mädchen war das letzte Opfer des zu trauriger Berühmtheit gelangten Serienkillers Harald Bishop, der vor wenigen Tagen von der Polizei von Merseyside festgenommen wurde. Bei den Kollegen von Madeline Greene herrscht Verwunderung und Betroffenheit.
Selbst in Haft hätte der Schlächter von Liverpool um Haaresbreite erneut zugeschlagen
, klagte ihr Partner, der Ermittler Jim Flaherty.
Jonathan kratzte sich am Kopf: Diese Geschichten hatten England offenbar monatelang in Atem gehalten, nicht aber den großen Teich überquert.
»Hast du schon mal etwas von dem ›Fall Alice Dixon‹ oder von dem ›Schlächter von Liverpool‹ gehört?«, fragte er seinen Freund.
»Kein Wort«, antwortete der Kanadier.
Kein Wunder! Menschen wie Marcus lebten in einer Traumwelt, weit entfernt von der Realität. Eine Welt, in der Bill Clinton noch immer Präsident war, die Berliner Mauer noch stand und in der in den Bars noch an Flipper-Automaten gespielt wurde …
Und plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Jonathan schaltete Madelines Smartphone ein und rief das mit einem Passwort geschützte Programm auf.
ENTER PASSWORD
Er tippte » ALICE «, und die Datei öffnete sich.
Das Smartphone enthielt Hunderte von Dokumenten zu dem »Fall Dixon«: Notizen, Artikel, Fotos und Videos. Jedes, das er öffnete, überspielte er sogleich auf seinen Computer, um es
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