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begrüßte sie Émile, dem der Stand gehörte, an dem sie einen Großteil ihrer Ware kaufte.
Mit Strohhut, Gartenschere, Latzhose und seinem geschwungenen Schnauzbart war Émile Fauchelevent eine wahre Institution. Er war seit der Eröffnung im Jahr 1969 in Rungis und kannte den Betrieb wie seine Westentasche.
»Einen kleinen Schwarzen ohne Zucker?«, fragte er und schob ein paar Münzen in die Kaffeemaschine.
Madeline bedankte sich mit einem Nicken.
»Und einen Tee für Katsushi?«, fügte er hinzu und sah den Schützling der Floristin herausfordernd an.
»Ich heiße Takumi«, entgegnete der Japaner kühl, »und ziehe einen Cappuccino vor.«
Doch Émile gab nicht nach:
»Und einen Cappuccino für Tsashimi!«
Der junge Mann nahm wortlos seinen Becher entgegen. Enttäuscht über den mangelnden Respekt des Großhändlers, senkte er den Kopf.
»Irgendwann musst du dich entscheiden, ihm eine reinzuhauen«, flüsterte Madeline ihm zu, während Émile sich einem Neuankömmling zuwandte. »Das kann ich nicht für dich übernehmen.«
»Aber … er ist ein alter Mann.«
»Er ist drei Köpfe größer und doppelt so schwer wie du! Aber falls es dich beruhigt, meine Bewährungsprobe hat sechs Monate gedauert. Jedes Mal, wenn er mich sah, nannte er mich Roastbeef oder English .«
»Und wie haben Sie ihn davon abgebracht?«
»Indem ich ihm seinen heißen Kaffee ins Gesicht geschüttet habe. Seither behandelt er mich wie eine Prinzessin.«
Takumi war ratlos. In dem Land, in dem er geboren war, versuchte man um jeden Preis, Konflikte, Auseinandersetzungen oder aggressives Verhalten zu vermeiden.
»Aber … warum ist das hier so?«
»Es ist eben so«, erwiderte sie, zerdrückte ihren Plastikbecher und warf ihn in den Papierkorb. »Und meiner Meinung nach musst du dich mit solchen Situationen auseinandersetzen, wenn du ein Mann werden willst.«
»Aber ich bin ein Mann, Madeline!«
»Ja, aber nicht der, der du sein willst.«
Mit dieser Bemerkung ließ sie ihn stehen und wandte sich Bérangère zu, einer der Verkäuferinnen von Fauchelevent, um mit ihr durch die Reihen zu gehen. Sie kaufte zwei Bund Blätter, verhandelte hart den Preis für Tulpen, Narzissen und Kamelien, ließ sich aber von den Äquator-Rosen betören, von denen sie gleich drei Bund nahm. Das Handeln fiel ihr leicht, sie versuchte immer, einen gerechten Preis für die Ware zu bezahlen. Takumi verstaute diese erste Ladung im Lieferwagen und kam dann zurück zu Madeline, die sich in der Abteilung Topfpflanzen befand. Mit geschultem Auge wählte sie Begonien und Vergissmeinnicht aus und überließ ihrem Lehrling – die Feiertage forderten ihren Tribut – die Weihnachts-»Stars«, als da wären Stechpalmen, Misteln, Weihnachtssterne und Christrosen.
Auch die entgiftenden Zimmerpflanzen, die sich in Betrieben immer größerer Beliebtheit erfreuten, Madeline aber langweilten, waren sein Ressort. Sie ließ sich stattdessen Zeit für die weißen und pastellfarbenen Orchideen, die den Ruf ihres Geschäfts begründet hatten.
Nach einem kurzen Umweg über den Geschenkesektor mit Duftkerzen, »fleischfressenden« Pflanzen, kleinen herzförmigen Kakteen, in eine Espressotasse gesetzten Kaffeeblättern, ließ sie sich in der Dekorationsabteilung von einem schmiedeeisernen Engel betören, der in ihrem Schaufenster Furore machen würde. Takumi folgte ihr, ohne sie aus den Augen zu lassen. Trotz seiner schmächtigen Gestalt setzte er alles daran, die schwierigen Aufgaben zu übernehmen, wie etwa den Wagen zu schieben, der immer schwerer wurde, und Zehn-Kilo-Säcke mit Blumenerde und massive Übertöpfe daraufzuhieven.
Der Wind ließ das Gewächshaus erzittern. Durch das Glasdach sah man Schneeflocken am Himmel wirbeln, die den Asphalt mit einer weißen, eisigen Decke überzogen.
Um den Augenblick, in dem sie wieder in die Kälte mussten, hinauszuschieben, verweilte Madeline noch ein wenig in dem warmen Kokon. Der Einkauf von Blumenzwiebeln für den Frühling – Hyazinthen, Osterglocken, Schneeglöckchen – riss sie aus ihrer Melancholie. Für sie, die die Feiertage verabscheute, war der Winteranfang der traurigste Moment des Jahres. Doch es war auch der, in dem sie am dringendsten auf die Rückkehr des Lebens wartete. Das war für sie die eigentliche Weihnachtsverheißung …
6:30 Uhr
Takumi schloss vorsichtig die Hecktür. Der Lieferwagen war zum Bersten voll.
»Komm, ich lade dich zum Frühstück ein«, schlug Madeline
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