Nachrichten an Paul
Moment. Aber das wäre es natürlich nicht und das weiß ich auch und bin ja auch froh, dass ich noch am Leben bin. Auch wenn ich mich mit diesem Leben schon noch ziemlich schwer tue, irgendwie.
Und jetzt, auf der anderen Seite – ist das nicht ein unglaubliches Zeichen? Ein Zeichen, dass Paul mich will, dass er mich nett findet, dass er sich vorstellen kann, was ich mir auch vorstellen kann. Auf der noch anderen Seite – vielleicht will er einfach nur Portugal sehen und ich mache mir hier tausend Gedanken, dabei geht es nur um Sightseeing und eine günstige Gelegenheit. So nach dem Motto, du ich kenn da so ´ne Frau, die findet mich ganz nett, da kann ich wohnen, die hat bestimmt ein Auto und fährt mich rum und zeigt mir Portugal. Und die Sprache spricht sie auch, das ist doch klasse, denn nur so lernt man ein Land richtig kennen, indem man jemanden besucht, der da wohnt.
Mein Blick fällt auf Agathe, die hier nach wie vor auf der Fensterbank steht und mir täglich bei der Arbeit zusieht. Ich drücke auf das Knöpfchen am Po. Ich mache den Mund auf um Agathe zu fragen und klappe ihn wieder zu. Ich frage mich als Erstes, warum diese blöde Orakelpuppe nur antwortet, wenn man sie so laut fragt. Ich finde, die sollten Orakelpuppen produzieren, die man flüsternd befragen kann. Dieses laute Fragen ist doch peinlich, selbst wenn keiner da ist, der einen hören kann. Irgendwie ist es peinlich. Wie heißt es immer so schön? Da kann man zum Mond fliegen, aber es gibt immer noch keine Orakelpuppen, die man nicht anbrüllen muss.
Agathe nickt einmal mit dem Kopf und zeigt mir so, dass sie betriebsbereit ist, um es mal mit den Worten aus der Welt der Leisehäcksler auszudrücken.
„Soll Paul mich besuchen?“, frage ich.
Agathe nickt.
„Aber ist das eine gute Idee?“, frage ich weiter.
Agathe schüttelt den Kopf.
Ich möchte doch zu gerne mal wissen, nach welchem Prinzip diese Puppen funktionieren. Aber ich traue mich nicht, Agathe aufzumachen. Denn womöglich ist sie dann kaputt, hinterher, und ich habe gar keine Agathe mehr.
„Ist Paul in mich verliebt?“, frage ich.
Agathe sagt nichts. Sie nickt nicht und sie schüttelt auch nicht den Kopf. Sie steht einfach da und sieht mich weiter an.
Dafür steht jetzt Dona Ermelinda im Raum und schüttelt den Kopf. Glücklicherweise nicht als Antwort auf meine Frage, aber doch vielleicht ein bisschen als Antwort auf mein Leben.
„Ich habe Ihnen eine Suppe gebracht“, sagt Dona Ermelinda. „Sie müssen vernünftig essen, ich bin mir nicht sicher, ob Sie wirklich vernünftig essen.“
„Natürlich esse ich vernünftig“, sage ich.
Dona Ermelinda sieht noch mal auf Agathe. Dann auf mich. Dann schüttelt sie noch mal den Kopf.
„Danke für die Suppe“, sage ich.
„Ist schon gut“, sagt Dona Ermelinda. „Ich habe sowieso einen großen Topf gekocht, weil ja meine Enkel heute kommen, nicht die aus Viseu, die anderen, die, die eigentlich in Frankreich wohnen, aber im Moment sind sie in Águeda und besuchen ihre Tante.“
„Aha“, sage ich.
„Mal was von Sr. Miguel gehört?“, fragt sie jetzt
„Äh nein, noch nicht“, sage ich.
Dafür habe ich was von Paul gehört. Aber das erzähle ich ihr nicht, denn von Paul weiß sie nichts, und das ist auch gut so.
„Und die Dona Clara?“, fragt sie.
„Clara gehts ausgezeichnet“, sage ich. „Wir treffen uns nachher im Eispalast.“
„Das ist gut“, sagt Dona Ermelinda. „Ist nämlich nicht gut, hier die ganze Zeit so alleine zu sitzen. Sie müssen einfach auch mal unter Leute gehen, dieses Alleinesein immer, das ist nicht gut.“
Sie vermeidet es bei diesem Satz Agathe direkt anzusehen, aber als sie aus dem Zimmer geht, wirft sie ihr doch noch einen Blick zu.
*
Mit Clara im Eispalast ist es klasse wie immer. Heute ist ein Wahnsinns-Panoramablick. Man sieht weit über die Serra de Estrela und die Ortschaften funkeln als helle Punkte in der Sonne. Vielleicht sollte ich doch mal wieder in die Serra de Estrela fahren, das wäre ein schöner Ausflug, auch mit Paul und für Paul, aber ich weiß immer noch nicht, ob Paul überhaupt kommen soll, denn das ist im Grunde gar keine gute Idee. Clara und ich essen erst einen Salat und gehen dann zu fnac und wühlen ein bisschen in den Büchern und den Filmen. Dann gehen wir ins Kino, jede mit einer Tüte Popcorn und sehen „Alice im Wunderland“. Da sieht man mal wieder, wie jung wir doch geblieben sind. Trotz unserer innerlichen und äußerlichen
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