Nachrichten an Paul
„Wenn die Liebe keine Verrücktheit ist, ist es keine Liebe“, und verschwindet vom Bildschirm.
Und da gebe ich mir doch tatsächlich einen Ruck und schicke Paul eine Nachricht. Auf Facebook. So unverbindlich wie möglich, denn ich will mir ja nichts vergeben, nicht wahr.
Hi Paul, finde ich gut deine Idee mit Portugal. Wenn schon Europa, dann auch richtig. Beijinhos Anna
Und keine vierundzwanzig Stunden später ist eine Antwort von Paul da.
Hi Anna. Flug gebucht. Komme am 5. Mai, Ankunft 18.45 Lissabon. Freu mich schon. Big hugs Paul
Mai
Ich räume wie eine Verrückte das Haus auf. Das Ganze artet geradezu in einen Frühjahrsputz aus. Ich topfe sogar die Pflanzen um, das ist sowieso schon lange fällig, die Erde von den kleinen Kakteen ist schon ganz trocken und jetzt ist doch eine gute Gelegenheit. Clara kommt am Nachmittag, um mir mit den großen Töpfen zu helfen und die Banane und das Monster-Buntblatt umzutopfen. Sie sieht sich prüfend um, lässt ihren Blick durch das wunderbar aufgeräumte Wohnzimmer schweifen und über die frischgeputzten Fenster und die gewaschenen Gardinen.
„Ich finde ja“, sagt Clara schließlich. „Ich finde ja, du solltest auch noch das Haus streichen. Am besten gleich innen und außen.“
Aber sie grinst und sie meint es nicht böse und ich lasse das mal kommentarlos durchgehen.
Am nächsten Nachmittag gehe ich zum Friseur und lasse mir die Haare etwas kürzer schneiden, das sieht nämlich peppiger aus. Allerdings kriege ich zunehmend Skrupel, was für ein Unsinn im Grunde, dass Paul mich besucht, das macht doch keinen Sinn, das macht doch überhaupt keinen Sinn, wie konnte ich mich auf so einen Unsinn einlassen. Und das in meinem Alter. Was will ich denn mit einem elf Jahre jüngeren Mann. Ich will nichts mit einem jüngeren Mann. Ich will nichts von einem jüngeren Mann. Ich will einen Mann in meinem Alter. Mindestens. Der Mann, an dessen Schulter ich mich anlehnen will, soll älter sein (aber natürlich nicht zu alt!) und ich will zu ihm aufsehen können.
Aber ich trage meine Skrupel mit mir selber aus, denn ich habe es aufgegeben, mit Clara über das Thema zu reden. Ich kann dieses ‚ Cuando el amor no es locura, no es amor ` wirklich nicht mehr hören. Das muss sie sich ja einreden, sie mit ihrem verheirateten Liebhaber, von dem sie immer noch denkt, er lässt sich irgendwann von seiner Frau scheiden. Denn irgendwie muss sie das ja rechtfertigen, nicht wahr. Ich fege die Veranda und mähe den Rasen. Ich räume die Sitzplätze draußen auf. Ich wische den Kacheltisch gründlich mit Seifenlauge ab, das ist jetzt nach dem Winter sowieso gut. Und die Stühle gleich dazu. Ich müsste eigentlich auch ein neues Dach für den Platz nähen, aber das werde ich wohl nicht mehr schaffen.
Ich treffe mich mit Clara im Eispalast und wir gehen bei H&M shoppen. Ich überprüfe jedes Kleidungsstück darauf, wie alt es wirkt. Das ist doch krank. Diese ganze Paul-Aktion ist völlig daneben und ich bereue jetzt, dass ich mich überhaupt darauf eingelassen habe. Aber auf der anderen Seite, ich freue mich auch so, ich freue mich so drauf, ich freue mich darauf, wie ich mich schon lange nicht mehr auf irgendwas gefreut habe. Das merkt auch Dona Ermelinda, aber sie versucht nicht mich auszufragen, denn sie denkt bestimmt, es hat mit Miguel Moreira zu tun. Und da werde ich jetzt auch nichts durcheinanderbringen und was anderes erzählen, nicht wahr.
Und dann ist es so weit. Morgen kommt Paul. Jetzt stellt sich plötzlich eine Frage, die ich bisher völlig vergessen habe. Nämlich die Frage: vorsorgen oder nicht vorsorgen. Ich meine: Was da haben oder lieber nichts da haben. Und woher was kriegen, wenn ich was da haben will? Na die Apotheken hier in der Gegend scheiden doch wohl aus, da kann ich es ja gleich Dona Ermelinda und dem ganzen Dorf erzählen. Also Viseu. Wieder hin zum Eispalast. Dieses Mal nicht zu H&M, sondern in die Apotheke. Und damit ist wirklich alles komplett. Paul kann kommen.
Am Abend ist eine Nachricht von Paul in meiner Facebook-Fangbox. Das wundert mich, was kann er jetzt noch wollen, und überhaupt, wieso ist der noch online, müsste der nicht längst schon im Flugzeug sitzen und über die Hudson Bay fliegen, wenn er in weniger als vierundzwanzig Stunden hier sein will? Ich gehe zu der Nachricht. Ich lese sie dreimal. Ich denke, ich habe sie verstanden, ich meine, ich verstehe, was drin steht, was so richtig passiert, verstehe ich nicht.
Hi Anna. Kann
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