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Nachrichten an Paul

Nachrichten an Paul

Titel: Nachrichten an Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegret Heinold
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leider nicht kommen, die Prinzessin ist krank. Vlg Paul
    Zehn Worte und ein Kürzel und meine Welt bricht zusammen. Das spricht übrigens auch gegen junge Männer, die haben womöglich noch kleine Kinder, um die sie sich kümmern müssen, so wie Paul sich um das Prinzesschen kümmern muss, ich fasse es nicht, wieso ist das Kind nicht bei der Mutter, wo es doch sonst auch immer ist. Oder doch jedenfalls meistens. Und wieso sagt Paul erst jetzt ab und wieso in so kurzen Worten. Aber im Grunde weiß ich es, nicht wahr, ich weiß es, weil hier trifft die gleiche Regel wie beim Telefonieren zu, und die Regel heißt: Wenn ein Mann dich nicht besucht, dann besucht er dich nicht, weil er dich nicht besuchen will.
    Ich lege mich einfach ins Bett. Ich putze nicht die Zähne und ich ziehe mich nicht aus. Ich befrage nicht Agathe, denn was soll Agathe dazu sagen. Ich krieche unter meine Decke und bleibe einfach liegen. Ich schlafe und döse und leide. Und als ich am nächsten Morgen aufwache, habe ich wenigstens einen Plan.
    Ich brauche Klarheit, ich möchte wissen, was da los ist, was passiert ist, was mit Paul ist und was mit dem Prinzesschen, und warum die Göre nicht bei ihrer Mutter ist, und ich beschließe, das vor Ort zu recherchieren, indem ich einen Spion hinschicke. Vielmehr eine Spionin. Nicki. Von der 18. Straße in Dunbar zu Pauls Appartementblock in der zweiten Straße in Kitsilano ist es nicht weit, es ist Mai, da kann Nicki auf dem Weg zu ihrer Sprachenschule vorbeiradeln, das ist kaum ein Umweg.
    Ich skype Nicki an und bitte sie, doch einfach mal bei Paul vorbeizuschauen, und zu gucken, was da los ist und rauszukriegen, weil – äh – also Paul hatte mal gesagt, dass er eventuell – also äh – nach Portugal, und eigentlich wollte er und jetzt ist er aber nicht und, ist jetzt nicht sooo wichtig, aber vielleicht könnte Nicki doch mal, also einfach mal – äh – naja vorbeifahren, wenn sie in der Gegend ist und klingeln und gucken, ob alles in Ordnung ist bei Paul. Ich gebe Nicki Pauls Adresse und Nicki sagt, sie will sich kümmern.
    Wenn die globale Kontrolle nicht mehr online funktioniert, muss es eben anders gehen, nicht wahr.
     
    Und dann fange ich einfach wieder mein normales Leben an. Ich reiße mich zusammen und am Riemen. Ich stehe auf und werfe meine Sachen in die Waschmaschine. Wenigstens ist das Haus sauber, weil ich dieses Jahr ja meinen Frühjahrsputz gemacht habe, nicht wahr. Das habe ich im Grunde Paul zu verdanken. Aber meine Dankbarkeit hält sich im Moment ziemlich in Grenzen. Ich setze mich an meinen Schreibtisch. Ich stelle Agathe keine Fragen, aber ich gehe schon noch kurz bei Facebook vorbei. Keine Nachrichten.
    Ich nehme den Stapel Liebesbriefe in die Hand und sortiere sie nach Datum und fange an mit dem Übersetzen. Michaela aus München ist einem Mann namens Francisco aus Mangualde verfallen. Aber wie. Aber hallo. Sie versucht alles, um ihn zurückzubekommen. Sie wäre bereit alles dafür zu tun. Und dieses Alles schildert sie in bilderreichen Worten, damit dieser Francisco auch wirklich weiß, wie sie´s meint. Die Bilder sind so drastisch und so phantastisch, dass ich doch glatt immer und immer wieder zum Wörterbuch greifen muss, viel öfter als bei diesem Leisehäcksler, und schon beim Leisehäcksler dachte ich, das ist eine fremde Welt, aber diese Welt hier ist noch viel fremder, und das Wörterbuch ist da auch keine sehr große Hilfe.
    Anhand der Daten kann ich ziemlich genau den Ablauf dieser Liebesgeschichte verfolgen. Michaela hat Francisco kennengelernt, als er in München auf einem Mediziner-Kongress war. Auf einem Kardiologen-Kongress. Francisco ist also offensichtlich Kardiologe. Da hat er tagsüber auf seinem Kongress gelernt, wie man Herzen repariert und dann abends in seiner Freizeit Michaelas Herz gebrochen. Und dann ist er wieder ab nach Mangualde. Zu seiner Frau. Michaela ist also genauso ein Globalisierungsopfer wie ich gewissermaßen, denn jetzt brechen wir unsere Herzen weltweit.
    Ich finde, Kardiologen dürften eigentlich gar keine Herzen brechen, das sollte gegen ihre Berufsehre gehen. Eigentlich sollte keiner Herzen brechen. Auch nicht Klempner oder Postboten oder Übersetzer. Und schon sind meine Gedanken wieder bei Paul. Paul, der mir keine Nachrichten in meine Facebook-Fangbox schickt und sich nicht über Skype meldet, obwohl er ziemlich oft online ist, denn das kann ich ja hier sehen. Und Nicki scheint da auch nichts rauszukriegen, denn sonst hätte sie

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