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Nachrichten an Paul

Nachrichten an Paul

Titel: Nachrichten an Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegret Heinold
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Facebook auch nach dem Prinzip der Leisehäcksler, und nur wer oben was reinwirft, bekommt unten was in die Fangbox. Ich gehe noch mal zu Facebook. Ich gehe zu der Seite mit den Nachrichten von Paul.
    Und dann schreibe ich endlich eine Antwort auf seine letzte Nachricht: Tja Pech. Trotzdem nettes Foto. Danke dafür! Anna.
    Ist das jetzt irgendwie zu knapp? Auf der anderen Seite ich will ihm ja auch nicht mit langen Nachrichten auf den Wecker fallen. Ich möchte hier nicht um Antworten betteln, deswegen eine Nachricht ohne Fragezeichen, die lässt alles offen. Es kann eine Abschlussnachricht sein, aber es kann auch ein Anstoß sein. Es gibt ihm die Möglichkeit zu antworten, aber es fordert ihn nicht dazu auf. Es lässt alles offen. So was muss gut durchdacht sein, denn zurücknehmen kann man diese Nachrichten auf Facebook ja nicht, jedenfalls ich kann es nicht, das ist wie mit diesen abgeschossenen Pfeilen. Denn drei Sachen kann man nicht zurücknehmen: das gesprochene Wort, den abgeschossenen Pfeil und die Nachricht auf Facebook.
    Und jetzt müsste ich eigentlich mal mit der Übersetzung in die Puschen kommen und dazu müsste ich eigentlich nachschlagen, was ein Litzenquerschnitt ist, und das gleich in beiden Wörterbüchern, denn das Wort kenne ich in keiner Sprache.
    Aber auf der anderen Seite habe ich mir nicht mal versprochen im Datingcafé zu surfen, einfach nur um mal so zu sehen ,wie´s in der Single-Welt aussieht und um Leute wie Paul zu vergessen, die sich nicht per Skype melden, obwohl sie andauernd online sind, und wie heißt es so schön in der Gebrauchsanleitung für Leisehäcksler: Legen Sie immer rechtzeitig eine Arbeitspause ein . Nachzulesen auf Seite sechs, Absatz elf. Also dann.
    Nach einer Stunde tauche ich aus der Datingcafé-Welt auf. Da ist die Facebook-Welt richtig gut gegen. Alle Männer in meinem Alter halten sich für jünger, als sie sind, und möchten deshalb eine Frau, die sich nicht nur für jünger hält, sondern auch wirklich jünger ist. Biologisch. Und sie meinen damit nicht Claras Pünktchenhosen oder meine Buntstifte, die ich immer mit mir in der Tasche rumtrage. Das tue ich übrigens nicht, weil ich im Herzen immer noch jung oder vielleicht sogar ein Kleinkind bin, jedenfalls nicht nur, sondern weil ich von einem ‚Visual Diary` träume, das sind diese Skizzenbücher, die man mit sich rumträgt, um unterwegs zu skizzieren. Und ich habe ständig eins bei mir, weil ich ja immer morgen damit anfangen will, und dann möchte ich nicht ohne Papier dasitzen, wenn´s mich wirklich überkommt, nicht wahr. Doch leider ist mein Visual Diary immer noch ein Büchlein mit lauter Blankoblättern, ziemlich weitgereisten Blankoblättern mittlerweile, mit zwanzigtausend Flugkilometern.
    Die meisten Männer sind erstaunlich gleich, nicht nur, dass sie sich jünger fühlen, als sie sind, nein, sie fahren auch noch alle Motorrad und trinken gerne Rotwein am Kamin. Eine Kombination, die ziemlich gefährlich werden kann, eigentlich, aber das wird diesen Männern ja wohl klar sein, so viel Erfahrung werden sie ja wohl haben, selbst wenn sie sich jünger fühlen als sie sind. Ansonsten ist es Grusel in Stufen. Eine Grusel-Spirale, deren Ende nach oben nicht absehbar ist.
    Und den ersten Preis hat ganz eindeutig der Typ verdient, der nach einem Unfall im Rollstuhl sitzt und eine viel jüngere Frau sucht. Sie soll nicht nur jung, sondern auch gesund sein, damit sie ihn pflegen kann, und sie soll auch noch willig sein, sich von ihm von Zeit zu Zeit an einen Baum fesseln zu lassen. Damit er sie dann in seinem Rollstuhl suchen kann? Und was, wenn er dabei einen Herzinfarkt kriegt, denn mit seiner Gesundheit steht es ja offensichtlich nicht zum Besten, nicht wahr, und dann hat er womöglich einen Herzanfall, und sie hängt da gefesselt am Baum. Oder im Baum. In Gummi oder Lack womöglich. Und dann kommt keiner ans Handy. Das ist doch wieder mal ein schönes Beispiel für: nicht alles, was möglich ist, ist auch vorstellbar. Jedenfalls nicht für mich. Für den Typ ja irgendwie anscheinend schon. Und wenn nun wirklich auch alles möglich ist, was vorstellbar ist, dann wird er womöglich sogar noch eine Susi für seine Spielchen finden.
    Den zweiten Preis kriegt der sechzigjährige, der hundertfünf Kilo wiegt und eine schlanke Gespielin unter vierzig Jahren sucht. Oder in anderen Worten, bei ihr soll Gewicht plus Alter unter seinem Alter liegen, und dafür darf ihr Brustumfang seinen Kilobereich überbieten.

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